Yasunari
Kawabata japanischer Schriftsteller Wichtigste Werke: |
Der japanische Schriftsteller und Nobelpreisträger von 1968 Yasunari Kawabata (1899 - 1972) wäre im April dieses Jahres 100 Jahre alt geworden.
Am 11. Juni 1899 kommt Kawabata in Osaka zur Welt. Sein Vater ist Arzt, beschäftigt sich aber selber auch intensiv mit Literatur und tritt mit selbstverfasster Lyrik aber auch als Maler in Erscheinung. Kawabatas Eltern versterben sehr früh; ab 1902 wächst Kawabata bei seinem Großvater auf. Der Großvater wünscht sich für seinen Enkel eine Laufbahn als Kunstmaler. Kawabata lernt früh die Techniken der Bildenden Kunst. Auch wenn er sich später für eine literarische Laufbahn entschied, sollten seine kalligraphischen Fähigkeiten und von ihm gemalte Schriftrollen immer wieder große Beachtung finden.
1920 entschließt sich Kawabata endgültig für eine literarische Laufbahn und geht nach Tokio, um hier englische, später japanische Literatur zu studieren. In den vier Jahren seines Studiums entstehen erste literarische Skizzen, die in der von ihm mitbegründeten Zeitschrift "Shinshisho" veröffentlicht werden. 1924 schließt sich Kawabata einer Autorengruppe um die Zeitschrift Bungai Jadei an, die japanische Traditionen und Formen mit Elementen westlichen Expressionismus zu verbinden sucht.
Kawabates erste wichtige literarische Veröffentlichung erfolgt 1925. In dem bereits 1914 entstandenen, lange Zeit vermissten Tagebuch eines Sechzehnjährigen beschreibt er das langsame Sterben seines Großvaters und die Reaktionen eines Jungen, der mit seinem Schreiben versucht, dem Tod entgegenzutreten. Die Tänzerin von Izu (1926) kann als erstes Kawabata-typisches Werk verstanden werden. Es ist die lyrische Erzählung von der Liebe eines Schülers, die in der Welt der Geishas und Tanzmädchen spielt.
Kawabata sucht mit seinem traditionell japanischen Hintergründen keineswegs nur ein stimmungsvolles Niveau für seine Werke, vielmehr thematisiert er immer wieder das Verhältnis der Frau zu den strengen, stark ritualisierten Formen japanischer Kunst wie japanischer Tanz, aber auch Teezeremonie oder No-Spiel in seinen späteren Werken. Was viele westliche Leser nur als interessantes Beiwerk verstehen können, liefert oft eine unerschöpfliche Quelle an weiteren Symbolen, Motiven und Metaphern.
Kawabata lässt seine Erzählungen und kürzeren Romane zunächst in Zeitschriften erscheinen, oft als Fortsetzungsgeschichten. Im Gegensatz zum klassischen Fortsetzungsroman, bei dem nachträglich Zäsuren in einen abgeschlossenen Handlungsverlauf eingefügt werden, bieten Kawabatas Werke vielmehr eine Komposition locker aneinander gereihter Szenen und Impressionen.
Auf diese Art und Weise nehmen einige seiner Werke nur langsam ihre endgültige Form an. Der ab 1935 erscheinende, erst 1947 in seiner jetzigen Form fertig gestellte Roman Schneeland, der weitere typische Elemente Kawabatas Prosa deutlich zum Ausdruck bringt: In der tragisch endenden Liebe eines Geschäftsmannes aus Tokio zu einer jungen Geisha im verschneiten Nordjapan nehmen die Schilderungen von Gefühlen und Naturerscheinungen eine starke Rolle gegenüber der klassischen Schilderung der Handlung ein.
Der Krieg geht ohne deutlich sichtbaren Einfluss an Kawabata vorüber, sein literarisches Selbstbewusstsein ist es aber, was in den Nachkriegsjahren nicht unerheblich zum neuen Erstarken der literarischen Szene in Japan beiträgt. Von 1948 an ist Kawabata Präsident des japanischen Pen-Clubs.
In den fünfziger und sechziger Jahren entstehen einige seiner interessantesten Werke.
1951 veröffentlicht er den Kurzroman "Tausend Kraniche", in dem der Teezeremonie eine starke symbolische Rolle zugewiesen wird.
Die Erzählung "Der Mond auf dem Wasser" (1953) erzählt anrührend von einem kranken Mann und seiner Frau, die ihrem todkranken Mann mit Hilfe eines Spiegels noch einmal den Wunsch erfüllen kann, das von ihm geliebte Spiegelbild des Mondes auf der Oberfläche des Sees zu betrachten.
1954 erscheint "Das Dröhnen des Berges" (in der deutschen Übersetzung Ein Kirschbaum im Winter), das von der Liebe des alten Shingos zu seiner jungen Schwiegertochter, und den schlechter werdenden Beziehungen zu seinen eigenen Kindern erzählt. Besondere Symbolik wird hier japanischen No-Masken zugewiesen, Masken, die in einer wichtigen Form des klassischen japanischen Theaters zum Einsatz kommen, und wegen ihrer Starrheit für Shingo gleichermaßen Tod und sexuelle Lust symbolisieren.
Die schlafenden Schönen (1960/61) erzählt von einer besonderen Art Bordell, das alten Männern durch den Anblick schlafender junger Frauen noch einmal an der Schwelle des Todes das Spüren von Sinnlichkeit ermöglicht.
Nach Schönheit und Trauer (1961) erscheint "Kyoto oder die jungen Liebenden in der alten Kaiserstadt" (1962), das von Zwillingsschwestern erzählt, die sich erst als junge Frauen kennen lernen. Die eine wuchs wohlbehütet als Kaufmannstochter auf, während die andere Waldarbeiterin wurde. Der Roman bietet interessante Schilderungen aus dem Arbeits- und Kaufmannsleben, ohne dabei seine lyrische Stimmung zu verlieren.
Nach vielen Auszeichnungen im eigenen Land erhält Yasunari Kawabata als erster japanischer Schriftsteller 1968 den Nobelpreis für Literatur.
Vier Jahre später, am 16. April 1972, begeht Kawabata in seinem Arbeitszimmer Selbstmord. Auf seinem Tisch befindet sich ein Gedicht der japanischen Dichterin Kanoko Okamoto: "Wuchs auch tiefer Jahr um Jahr die Trauer noch, war es doch um so herrlicher ein Leben...".
Auf dem deutschen Buchmarkt sind zur Zeit der Erzählungsband "Träume in Kristall", die Romane Kyoto oder die jungen Liebenden in der alten Kaiserstadt und "Die schlafenden Schönen", ferner die Handteller-Geschichten Sammlung Der Blinde und das Mädchen erhältlich.
In Kürze erscheinen als Neuauflage als Taschenbuch bei DTV folgende Werke Kawabatas: Tausend Kraniche, "Schönheit und Trauer" und "Ein Kirschbaum im Winter". Während diese Bücher bereits in wenigen Wochen oder sogar Tagen veröffentlicht sein dürften, müssen wir für die Veröffentlichungen des Bandes Die rote Bande von Asakusa vom Insel-Verlag noch bis September warten.
© Till Weingärtner
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