Jacques Berndorf - Der letzte Agent - Rezension Lettern.de Jacques Berndorf - Der letzte Agent

KBV Verlag
Taschenbuch
, 280 Seiten
9
,50 €
ISBN: 3-937-00151-4

 

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Siggi Baumeister ist Journalist von Beruf. Und er hat in diesem Krimi auch prompt jede Menge zu tun. Er findet eine grässlich zugerichtete Leiche im Eifelwald - gewissermaßen vor der eigenen Haustüre. Und dann tritt da auch noch eine resolute alte Dame auf den Plan. Sie kommt aus Berlin. Sie stellt sich als seine Tante Anni vor. Baumeister hat aber noch nie von ihr gehört. Doch das ist nicht der einzige Schock: Sie entpuppt sich als eine mit allen Wassern gewaschene Frau vom Fach. Schließlich ist sie eine pensionierte Kripo-Kommissarin. Dieser Teil von ihr kommt Baumeister gelegen. Schließlich kann er jede Hilfe gebrauchen. Die Fährte, die er verfolgt, führt ihn direkt zu einem alten Stasi-Komplott, das sich sehr wendig den neuen politischen Gegebenheiten angepasst hat. Nur eine Sache änderte sich nicht, nämlich die Entschlossenheit, lästige Störenfriede gnadenlos und kalt zu beseitigen.

Jacques Berndorf heißt eigentliche Michael Preute. Er wurde 1936 in Duisburg geboren und arbeitete lange Zeit als Journalist. Er bereiste für Zeitschriften wie Stern, Spiegel, Time-Life und Paris-Match die Welt. Heute ist Preute sesshaft: Er lebt und arbeitet in der Eifel. Die Krimis um Siggi Baumeister brachten ihm den literarischen Durchbruch.

Gut geschrieben ist das Buch durchaus. Nach etwas holperigem Beginn, gewinnt das Buch durchaus an Fahrt. Es macht Spaß, es zu lesen. Und doch bleiben an vielen Stellen Zweifel. Journalisten sind es gewohnt, zu recherchieren, Informationen zu gewinnen und verdeckte Sachverhalte aufzudecken. Sie sie aber deswegen auch gleich die besseren Polizisten und Detektive? Und: Stehen freiberufliche Journalisten nicht auch vor dem Zwang, ihre Erkenntnisse möglichst gewinnbringend veröffentlichen zu müssen? Umfangreiche Recherchen machen in diesem Beruf also nur dann Sinn, wenn möglichst schnell eine Veröffentlichung folgt und Geld auf dem Konto landet. Gerade Preute als ehemaliger Journalist sollte hier doch wissen, dass zumindest der Tagesjournalist auf eine zeitnahe Berichterstattung angewiesen ist.

Und vor allem: Sind Polizei und Nachrichtendienste wirklich froh und dankbar dafür, dass Privatpersonen Ermittlungen anstellen und damit in das ureigene Revier der Strafverfolgungsbehörden eindringen? Die Polizei hat sicherlich ganz andere Möglichkeiten, Ermittlungen anzustellen - vom Martinshorn bis zum Gerichtsmediziner reicht die Palette. An dieser Stelle sind Journalisten machtlos. Preute kann an dieser Stelle natürlich auf die gute alte Krimitradition zurückgreifen, dass der private Ermittler schlauer und besser als die Polizei ist, sollte dann aber nicht so realistisch schreiben. Eine schärfere Trennung von Realität und Fiktion sollte hier schon zu machen sein.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, wieso hier das Thema Wirtschaftsspionage aufgegriffen wird. Die Geschichte wirkt hier reichlich unübersichtlich und teilweise auch an den Haaren herbeigezogen. Ein kleiner Ring von Wirtschaftsspionen verselbstständigt sich und arbeitet nach der Wiedervereinigung mit neuen Kunden weiter. Und landet damit in der beschaulichen Eifel, die ansonsten in der öffentlichen Wahrnehmung nicht stattfindet. Ist dieser unüberschaubare Moloch "Nachrichtendienste" wirklich so Phantasie anregend, dass man ihm alles zutraut - zumal dann, wenn es um so etwas nebulöses wie die DDR-Staatssicherheit geht? Früher waren es handfeste Motive wie Liebe, Hass, Eifersucht und Habgier, die als Motive für kriminelle Handlungen herhalten mussten. Es bleibt nicht nachvollziehbar, wieso Preute/Berndorf in diesem Krimi ins Spionagemilieu abgleitet.

Der klassische Krimi verläuft im Dreisprung-Form: Problemstellung - Arbeit des Detektivs - Plot mit Auflösung. Gerade die klassische Auflösung fehlt hier schmerzlich. Als Leser kann man schon leicht den Faden verlieren, wer hier was wann wo unternahm. Die Auflösung am Ende hätte dies noch einmal aufarbeiten können. Es scheint eine Unart neuerer Krimi-Generationen zu sein, dieses gute alte Prinzip zu vernachlässigen, Lösungen in die Handlung zu integrieren und den Leser am Ende zu vernachlässigen.

Ganz egal, welches Genre vorliegt - Liebesroman, Krimi, Western, Science-Fiction oder Humor -, der Leser erwartet, dass die Handlung am Ende quasi inhaltlich zu ihrem Anfang zurückkehrt, eine runde Geschichte abgibt und sich damit sozusagen in Wohlgefallen auflöst. Dies wäre bei dieser Geschichte schon hilfreich gewesen. Gerade ein Journalist hätte dies wissen müssen.

© Andreas Rüdig 2008


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