Matt Beynon Rees: Der Tote von Nablus - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Matt Beynon Rees: Der Tote von Nablus
Omar Jussufs dritter Fall

C. H. Beck Verlag
Übersetzung: Klaus Modick
Hardcover, 336 Seiten
18
,95 €
ISBN: 3-406-59839-0
 

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In seinem Krimi "Der Tote von Nablus" wählt Matt Beynon Rees einen eher unüblichen Schauplatz: Das Westjordanland. Gerade das ist eine der größten Stärken des Romans.

Der Geschichtsdozent Omar Jussuf ist mit seiner Familie nach Nablus gereist, um dort der Hochzeit seines Freundes Sami, eines palästinensischen Polizisten, beizuwohnen. Als der Sekte der Samaritaner eine seltene und uralte Schriftrolle gestohlen wird, nimmt Sami seinen Freund mit, damit er ihm aufgrund seiner Geschichtskenntnisse helfen kann. Doch die Rolle ist bereits wieder da und stattdessen wartet ein Toter auf die Ermittler. Schon bald findet sich Omar Jussuf zwischen allen Fronten wieder. Schließlich sind 300 Millionen Dollar für das palästinensische Volk verschwunden und mächtige Männer wollen an das Geld kommen und jegliche Einmischung verhindern. Zudem droht ein Bürgerkrieg zwischen der Hamas und Fatah. Omar Jussuf und seine Familie geraten in Lebensgefahr.

Die stimmungsvolle Atmosphäre wird den Leser sofort fesseln und in seinen Bann ziehen. Gewürzt mit schönen Vergleichen, so auf Seite 14: "Er war groß und hager wie ein Schatten am Abend", schafft es Rees mit einer recht sachlichen Sprache dem Leser die verschiedenen Interessensparteien des unübersichtlichen Nahen Ostens nahezubringen. Die stellenweise starke Religiosität wird durch die Skepsis und die Flapsigkeit des Omar Jussuf entschärft und so vermeidet Rees einen weihräuchernden Ton, der sich schnell einschleichen kann, wenn religiöse Themen behandelt werden

"Vor vielen Jahren […] habe ich einmal einem besonders eingebildeten Scheich gesagt, er solle sich selber ficken. Offenbar hat er meinen Rat beherzigt, weil er viele andere gezeugt hat, die genau wie er sind, und jetzt werden wir von arroganten, selbstgerechten religiösen Führern überschwemmt."

Interessant ist hier die Schilderung der Sekte der Samaritaner, die anscheinend Elemente des Judentums und des Islams beinhalten. Eine explosive Mischung im judenfeindlichen Palästina. Anti-jüdische Stellungnahmen legt der Autor nur seinen Protagonisten in den Mund und auch hier vermeidet er es, durch seine Hauptfigur auf gefährliches Terrain zu geraten. Effektvolle Dramaturgie paart sich mit hervorragender Milieuschilderung. Man merkt, dass der Autor Journalist im Nahen Osten war (und noch immer in Jerusalem lebt). Man meint die Gerüche der Kasbah zu riechen, dass Essen zu schmecken und die Hitze zu spüren. So vermittelt er einen sehr guten Einblick in das Leben und Denken im Westjordanland. Allerdings habe ich stellenweise ein Glossar schmerzlich vermisst.

Die Dialoge sind sehr gut, aber nicht immer flüssig. Und stellenweise kommt der Detektiv recht naiv daher, was nicht immer glaubwürdig ist, schließlich ist er Geschichtsdozent. An einer Stelle des Buches wird gefragt ob es die Aufgabe eines Detektivs sei, dafür zu sorgen, dass alle Welt erfährt wie schlecht es um die Welt steht. Vielleicht ist es nicht gerade die Aufgabe des Detektivs, aber die der Kriminalschriftsteller allemal. Vor allem wenn sie aus fernen Gegenden berichten, wie in diesem Fall.

Ein spannendes Stück Zeitgeschichte im Krimigewand mit einer hervorragenden Milieuschilderung, der man kleine Schwächen schnell verzeiht.

© Jons Marek Schiemann 2010


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