Marc Buhl - Das
Billardzimmer Eichborn Verlag
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Konstanz im Jahr 1941: Vergeblich versuchen der jüdische Pianist Helmut Spiegler und seine Frau Eva über die Grenze in die Schweiz zu flüchten. Nur einer kann den beiden vielleicht noch helfen: Gero von Nohlen, ein reicher Immobilienhändler, der Häuser geflüchteter Juden verwaltet. Und tatsächlich nimmt von Nohlen das Ehepaar bei sich auf. Während Helmut Spiegler sich in die hermetische Welt der späten Beethovensonaten versenkt, verstrickt sich Eva in der Nohlenschen Wohnung, die für sie und ihren Ehemann mehr und mehr zum Gefängnis wird, in die verwirrenden Gefühle für ihren "Retter".
Die tragischen Ereignisse des Frühjahrs 1945 bleiben sechzig Jahre lang verborgen, bis Gero von Nohlens Enkel bei Recherchen zur Lebensgeschichte seines – nach dem Krieg mit Ämtern und Auszeichnungen honorierten – Großvaters die Vergangenheit zum Leben erweckt und die Lebenslüge einer ganzen Familie entlarvt ...
Der Roman spielt auf zwei verschiedenen Zeitebenen, die geschickt durch Großvater und Enkel und zwei ungleiche Geschwisterpaare verknüpft werden. Zum einen ist er in der Zeit des Nationalsozialismus angesiedelt, wo Gero von Nohlen zunehmend stärker in ein Geflecht aus Geschäften mit jüdischen Häusern, Taktieren mit SS-Schergen und Rettungstaten für Verfolgte gerät – zum anderen spielt er in der Gegenwart, wo sich sein gleichnamiger Enkel auf eine Spurensuche begibt – auf die Fährten eines Großvaters, der für die Konstanzer Bevölkerung ein Held ist: Ein Judenretter, zu dessen Ehren in der Allee der Gerechten von Yad Vashem sogar ein Baum gepflanzt wurde. Aber schon früh spürt der Enkel, dass diese Heldengeschichte mehr als brüchig ist ...
Marc Buhl hat seinem Roman ein Zitat von William Faulkner vorangestellt, das der rote Faden ist, der durch die Handlung führt: "Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist noch nicht einmal vergangen." Dass in diesen beiden Sätzen mehr als ein Körnchen Wahrheit steckt, spürt nicht nur Gero von Nohlens Enkel. Marc Buhl ist das Kunststück gelungen, die verschiedenen Denk- und Handlungsweisen seiner Protagonisten mittels Sprache und Stil deutlich voneinander zu unterscheiden.
Das Thema ist nicht neu, aber die Art wie Marc Buhl es anfasst, ist ungewöhnlich. Er entwickelt die Geschichte langsam, setzt Steinchen für Steinchen zusammen und führt sie unweigerlich auf ein unerwartetes Ende zu. An keiner Stelle greift das Täter-Opfer-Klischee. Und schlussendlich überlässt der Autor es dem Leser, zu entscheiden, wie er Gero von Nohlens Verhalten bewerten möchte.
Der Roman bildet gleich zwei Stücke Zeitgeschichte ab: Er ist sehr atmosphärisch, spannend, berührend und oftmals auch verstörend. Es ist ein Roman, den man nach der Lektüre nicht einfach weglegt und vergisst. "Das Billardzimmer" ist ein Buch, das Spuren hinterlässt.
© Heide John 2007
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