Maryse Charles, Jean-Francois Charles: War and Dreams Splitter Verlag
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Liebe in Zeiten des Krieges
In dem neuen Band von Maryse und Jean-Francois Charles "War and Dreams" bleiben sich die Autoren und Zeichner thematisch treu. Wieder geht es um Liebe in Zeiten historischer Umwälzungen.
Vier alte Männer unterschiedlichster Nationalitäten kommen unabhängig voneinander in ein kleines idyllisches französisches Küstendorf. Jeder von den vier Männern trägt seine inneren Dämonen mit sich. Ohne voneinander zu wissen kreuzten sich während des Zweiten Weltkrieges einmal flüchtig ihre Wege. Aber hier in dem Dorf hängt jeder für sich seinen Erinnerungen und Träumen nach. Der deutsche Erwin erzählt seiner Nichte von seiner großen Liebe. Als er hier stationiert war, verliebte sich der deutsche Soldat in die geistig zurückgebliebene Französin Opal. Der Engländer Archie kauft sich gar ein Haus und hängt seinen Erlebnissen im Wüstenfeldzug nach. Der Amerikaner Joe kämpft mit seinen ureigenen Dämonen und versucht seinen Enkel für die Geschichte zu interessieren. Der Franzose Jean beäugt die Besucher argwöhnisch und trauert seiner Frau Laura nach. Jeder der vier wird an diesem Strand von seiner Vergangenheit eingeholt.
Der Splitterverlag legt die vierteilige Serie komplett in einem dicken Buch vor. Das letzte Kapitel ist aber insofern ungewöhnlich, da in ihm mit der Erzählform des Comics gebrochen wird. Es gibt zwar Illustrationen zu einem Fließtext, aber ebenso viele Skizzen und Entwürfe. Als Gimmick liegt dem Band noch zwei nachgemachte Zeitschriften aus Kriegszeiten bei. Die Zeichnungen sind wunderschön, die gerade bei den Landschaftsbildern an klassische Malerei erinnert. Stellenweise kann man sogar den Farbaufstrich erkennen und fühlt sich in Gemälde von Landschaftsmalern wie Van Gogh versetzt. Andererseits besteht eine große zeichnerische Schwäche von Jean-Francois Charles immer noch in den Tiergesichtern. Das fällt hier zwar nicht so schwer ins Gewicht wie bei dem Band "India Dreams", fällt aber in den ansonsten schönen Zeichnungen auf. Im Gegensatz zu "India Dreams" ist aber "War and Dreams" sehr gut und glaubhaft strukturiert. Er ist nicht nur bei den Kriegsepisoden, sondern auch bei den jeweiligen Liebesgeschichten sehr spannend. Besonders die Liebesgeschichte zwischen Erwin und Opal geht zu Herzen. Schön ist hier die Macht der Kunst dargestellt. Sie ist insofern der Sprache überlegen, da sie ihre Kommunikation nicht nur kulturübergreifend betreibt, sondern auch der Sprache nicht zwingend bedarf. Mächtiger als der Krieg ist die Liebe und Kunst, denn diese überdauern. Im sehr kurzen Vorwort wird behauptet, dass Träume und Krieg Gegensätze seien. Dieser Gegensatz existiert aber nicht, denn zum einen wird Krieg durch fehlgeleitete Träume entstehen und zum anderen träumt man im Krieg von Frieden, Liebe und einer besseren Zukunft. Und das ist in dieser Graphic Novel zauberhaft dargestellt.
Sehr schön. Ein wundervoll gezeichneter Band über Träume und Liebe in Zeiten des Krieges und wie man sich die Menschlichkeit bewahrt. Sehr empfehlenswert.
© Jons Marek Schiemann 2010
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