Michael Cox -
In der Mitte der Nacht Droemer/Knaur Verlag
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In diesem nicht nur seitenstarken Roman begegnet der Leser
Edward Glyver, einem jungen Mann, der kurz vorm Austernessen noch schnell einen
Menschen tötet. Sein unschuldiges Opfer hatte das Pech, zur falschen Zeit am
falschen Ort zu sein. Dieser Mord ist für den adligen Glyver lediglich die
Generalprobe für eine andere Tat, denn der Ich-Erzähler ist von der Idee
besessen, seinen ehemaligen Freund und jetzigen Todfeind Phoebus Daunt
umzubringen. Daunt ist es, den Glyver für den Verlust seiner großen Liebe,
seiner eigentlichen Berufung und seines Erbes verantwortlich macht.
Und Glyver verstrickt sich mehr und mehr in einem Geflecht aus
Selbstüberschätzung, Rachedurst, Gerechtigkeits- und Verfolgungswahn. Sein
grausames Schicksal, so glaubt er, spricht ihn von allem frei – selbst von einem
Mord ...
Auf 750 Seiten wird das mörderische Duell der beiden jungen Männer beschrieben:
Zweier Männer, die sich in ihrer Intelligenz und Cleverness, in ihrer
Sensibilität und in ihrem Verhalten im Grunde auffallend ähneln.
Ein Roman, der mit einem Mord beginnt, macht die Genre-Einordnung leicht. Aber "In der Mitte der Nacht" ist weit mehr als ein Kriminalroman. Er ist von großer Subtilität – und er wird seinem Untertitel "Ein Geständnis" gerecht, weil der Leser unweigerlich das Gefühl hat, eine Lebensbeichte zu lesen. Dieser bewusst gesetzte literarische Trick beginnt mit dem Vorwort des fiktiven Herausgebers, wird durch die Ich-Perspektive des Protagonisten und durch die vielen Anmerkungen unterstützt. Im Klappentext wird der Autor als "Spezialist für viktorianische Literatur" bezeichnet, der Leser erfährt folglich vieles über Großbritannien in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu anderen Autoren, die den derzeitigen Trend zur Viktorianischen Zeit nutzen, schafft Cox es, den Roman auch sprachlich in dieser Zeit anzusiedeln. Bei der deutschen Ausgabe ist es Ulrike Wasel und Klaus Timmermann perfekt gelungen, diesen Sprachduktus beizubehalten.
In der "Mitte der Nacht" ist der Debütroman des englischen
Lektors Michael Cox. Vielleicht ist der Roman auch ein so finster bedrückender
Lebensbericht geworden, weil der Autor das Buch zu einer Zeit geschrieben hat,
als eine schwere Erkrankung ihm die Arbeit in seinem eigentlichen Beruf nicht
mehr erlaubte.
An manchen Stellen ist "In der Mitte der Nacht" vielleicht etwas zu altmodisch
geraten, an anderen wären Kürzungen dem Lesefluss vermutlich dienlich gewesen.
Dennoch ist es ein hochinteressantes und hoch subtiles Stück Literatur, das zu
den Highlights des Jahres 2006 gezählt werden darf.
© Heide John 2007
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