Katharina Eckart
- Ein wahnsinnig netter Bekanntenkreis Fischer TB Verlag
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Sehe ich auch gut aus? Richtig geschminkt? Passt meine
Designerkleidung zusammen? Ich meine, wenn ich schon zur Szene gehören will,
dann muss ich auch einiges dafür tun.
Doch halt! Bevor jetzt einer sagt:
Vogl, nu mach mal halblang und tu nicht so, als wärst du was Besseres. So lasst
mich verraten: dieses oben aufgeführte Denken ist das von Rena, eine der
Hauptakteure in Katharina Eckarts Roman Ein wahnsinnig netter Bekanntenkreis.
Rena – eigentlich
Renate (einen Namen, den sie übrigens hasst) – will unbedingt von ihrem
Bekanntenkreis anerkannt werden. Nur
besteht ihr Bekanntenkreis zu knapp 80 % aus gut situierten, Designerklamotten
tragenden,
versnobten Menschen. Alle anderen
Bekannten versucht Rena so gut wie möglich zu ignorieren. Zwar wird sie von all
diesen Bekannten 'so la la' toleriert, aber dennoch fehlt ihr etwas zu ihrem Glück:
Ein Lover.
Nicht direkt für ihr Glück, aber
wenn sie einen vorweisen könnte , würde sie von dieser Clique anerkannt
werden.
Darum erfindet sie erst einmal einen. Doch schon bald gerät sie in Beweisnot. Dann aber... eines netten sympathischen Tages, fährt sie zu ihrer Lieblingstante. Diese erleidet einen schweren Unfall und kommt ins Krankenhaus. Sie bittet Rena, gelegentlich ein wenig auf das Haus zu achten, was sie auch gerne macht - zu ihrem Glück. Eines Tages nämlich lernt sie Jimmy kennen, einen afrikanischen Künstler. Als die Beweisnot immer größer wird, überredet Rena Jimmy, für 3 Wochenenden ihren Lover zu spielen. Zuerst will er da nicht mitspielen. Dann aber gibt er doch klein bei.
Rena ist glücklich. Doch ist dieses Glück von kurzer Dauer, denn ein Paar aus Renas wahnsinnig nettem Bekanntenkreis trennt sich. Das heißt: sie verlässt ihn, nur weil sie ihn mit einer anderen Frau im Bett angefunden hat. Iris – so der Name der Betrogenen – sucht Trost und Verständnis, und weil es eben ein wahnsinnig netter Bekanntenkreis ist, wird sie mal hier und mal da aufgenommen – und wieder abgeschoben (okay, es ist vielleicht nicht so wirklich fein, in eine Designervase zu erbrechen. Und die Designercouch hat auch etwas abbekommen...) Jedenfalls fährt Rena mit Iris (natürlich nur um Iris zu trösten, schließlich ist sie momentan Iris beste Freundin, und außerdem will ja auch sie zum wahnsinnig netten Bekanntenkreis gehören) zu ihrem Jimmy.
Doch da kommt es zum Eklat: Während Rena mal "kurz weg" ist, gehen Jimmy und Iris in ein Szenecafe. Als Rena wieder kommt, entwickelt sie den Verdacht, das Jimmy und Iris miteinander geschlafen haben. Nein... das Bett riecht nicht nach Sex... oder? Wenn sie jetzt ganz konzentriert schnüffelt... Und überhaupt sieht Iris jetzt auch irgendwie glücklicher aus. Die eifersüchtige Rena stellt Jimmy zur Rede, doch der bestreitet alles.
Rena, die nun befürchtet, das Jimmy Iris erzählt, dass die ganze Liebesbeziehung nichts anderes war als eine Lüge von Rena – sieht nur eine Möglichkeit, diese Peinlichkeit nicht publik machen zu lassen: sie tötet Jimmy kurzerhand! Doch ist er nicht der einzige Tote in dieser Geschichte: kurze Zeit später stirbt ihre Tante an den Folgen ihres Unfalls. Doch Rena wird der Verlust sehr versüßt: sie erbt 1 Millionen DM. Damit ist die Glückssträhne noch nicht ganz vorbei: die Polizei lädt Rena im Mordfall Jimmy vor, doch die Beamten - mit leicht rassistischer Einstellung – sind felsenfest davon überzeugt, dass der Nigger in einen Bandenkrieg zwischen Drogenbosse gekommen ist und es eben nicht besser verdient hat.
Rena ist erleichtert: Sie ist reich, hat ihren Platz in dem wahnsinnig netten Bekanntenkreis und... Tja... wäre da nicht das etwa 5-Mark-Stück große Ekzem. Zuerst ignoriert sie es. Doch es weigert sich einfach, zurückzugehen. Im Gegenteil: es vergrößert sich sogar, fängt an zu nässen und... sorgt für die dritte und somit letzte Leiche in diesem Buch. Natürlich ist die Clique mehr als entsetzt darüber und man trauert der einzigartigen Rena hinterher. Aber nach einiger Zeit heilen die Wunden, und eine neue Bekannte wird in den wahnsinnig netten Kreis eingebracht.
Ein wahnsinnig netter Bekanntenkreis ist ein Roman, den man sich ruhig mal antun kann, wenn man mag. Er hat seine Einfälle, und manche davon kommen auch ziemlich klasse rüber, auch wenn es für Leser, die – so wie meine Wenigkeit – nicht in einer Szene zu Hause sind, teilweise übertrieben wirkt.
Der Roman ist zwar schlicht
aufgebaut, dennoch logisch konstruiert. Kein
Highlight im Bereich schwarze Komödie, aber durchaus solide. Man
macht also nichts wirklich verkehrt, wenn man ihn liest.
© Michael Vogl 2003
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