Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott und andere Geschichten Mietshausgeschichten Carlsen Verlag Dieses Buch neu bestellen gebraucht suchen
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Wie Hühnersuppe den Kommunismus besiegte
In einer liebevollen und luxuriösen Ausgabe bringt der Carlsen Verlag eine Wiederauflage von Will Eisners Graphic Novel "Ein Vertrag mit Gott", die seinerzeit bahnbrechend war.
Dabei hat die Erzählung und alle weiteren in dem Zyklus dieser Mietshausgeschichten nichts an ihrer Kraft und Dichte verloren. 1978 suchte Eisner, der schon aufgrund seiner Figur "Spirit" berühmt war, neue Wege im Comicbereich. Müde von den Superhelden suchte er neue Erzählinhalte und entschloss sich mehrere autobiografisch gefärbte Erzählungen zu zeichnen. Um deutlich zu machen, wie sehr sich diese Geschichten vom damaligen Comicmarkt abhoben, bezeichnete er sie selbst als "Graphic Novel" und schuf damit nicht nur ein neues Genre, sondern auch gleichzeitig den Begriff dafür.
Auch wenn das Autobiografische etwas versteckt ist, spürt
man doch in jedem Bild das wahre Leben. Voller Tragik, Humor, Drama, Liebe,
Zuversicht und Elend sind die Lebensläufe der Protagonisten in dieser New Yorker
Straße der '30er Jahre. Eisner bricht nicht nur mit den erzählerischen
Konventionen der damaligen Zeit, sondern auch mit den grafischen. War bei seiner
Serie
"Spirit" seine Kreativität aufgrund des Genres der Superhelden etwas
eingeschränkt, konnte er sich nun frei entfalten. Beim "Spirit" war die erste
Seite häufig schon grafisch kreativ gestaltet, indem er die Schriftzüge in die
Architektur einbettete. Hier nun ist häufig auch nur ein Bild pro Seite genutzt
und entfaltet eine sehr starke Wirkung (vor allem in der emotional aufwühlenden
ersten Geschichte „Ein Vertrag mit Gott“).
Das Grafische ersetzt häufig Wörter und gewinnt an erzählerischer Kraft. Die
schwarz-weißen Akzente verdeutlichen nicht nur die generelle Stimmung der
Handlung, sondern auch sehr schön die psychische Haltung der Charaktere.
Verfallen sie gerade in allergrößte Verzweiflung, ist sodann der ganze
Hintergrund schwarz eingefärbt und nur ihre Gesichter treten weiß hervor. Im
ganzen Band verzichtet Eisner auf Farbe. So kann sein meisterhafter Strich noch
deutlicher hervortreten. Sehr oft benutzt Eisner gar keine Panels mehr, sondern
ordnet die einzelnen Bilder lose auf der Seite an. Das ermöglicht ihm auch, die
Bilder ineinander fließen zu lassen. So etwa während der verhasste Hausmeister
onaniert und seine verschiedenen Gesichtsausdrücke sich übereinander legen. Hier
achte man auch auf seine Augen, in denen zu sehen ist, wovon er gerade träumt.
Und allein die Körperhaltung von Eisners Alter Ego Willie, während er sich
entscheiden muss, ob er kommunistisch agitiert oder die mütterliche Hühnersuppe
essen will, macht ohne viel Dialog den ganzen inneren Kampf deutlich. Grandios.
Und die Duftschwaden der Hühnersuppe, die um ihn herum wehen, bewegen ihn dazu,
zum Essen zu bleiben. Die Hühnersuppe hat den Kommunismus besiegt.
Grandios. Zu Recht ein großer Klassiker der Graphic Novels. Die Ausstattung und die komplette Sammlung von Eisners Mietshausgeschichten machen diesen Band zu einem Pflichtkauf.
© Jons Marek Schiemann 2010
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