Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott und andere Geschichten - Mietshausgeschichten - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott und andere Geschichten
Mietshausgeschichten

Carlsen Verlag
Hardcover
, 528 Seiten
36
,00 €
ISBN: 3-551-75044-0

Dieses Buch neu bestellen           gebraucht suchen 

 


Wie Hühnersuppe den Kommunismus besiegte

In einer liebevollen und luxuriösen Ausgabe bringt der Carlsen Verlag eine Wiederauflage von Will Eisners Graphic Novel "Ein Vertrag mit Gott", die seinerzeit bahnbrechend war.

Dabei hat die Erzählung und alle weiteren in dem Zyklus dieser Mietshausgeschichten nichts an ihrer Kraft und Dichte verloren. 1978 suchte Eisner, der schon aufgrund seiner Figur "Spirit" berühmt war, neue Wege im Comicbereich. Müde von den Superhelden suchte er neue Erzählinhalte und entschloss sich mehrere autobiografisch gefärbte Erzählungen zu zeichnen. Um deutlich zu machen, wie sehr sich diese Geschichten vom damaligen Comicmarkt abhoben, bezeichnete er sie selbst als "Graphic Novel" und schuf damit nicht nur ein neues Genre, sondern auch gleichzeitig den Begriff dafür.

Auch wenn das Autobiografische etwas versteckt ist, spürt man doch in jedem Bild das wahre Leben. Voller Tragik, Humor, Drama, Liebe, Zuversicht und Elend sind die Lebensläufe der Protagonisten in dieser New Yorker Straße der '30er Jahre. Eisner bricht nicht nur mit den erzählerischen Konventionen der damaligen Zeit, sondern auch mit den grafischen. War bei seiner Serie "Spirit" seine Kreativität aufgrund des Genres der Superhelden etwas eingeschränkt, konnte er sich nun frei entfalten. Beim "Spirit" war die erste Seite häufig schon grafisch kreativ gestaltet, indem er die Schriftzüge in die Architektur einbettete. Hier nun ist häufig auch nur ein Bild pro Seite genutzt und entfaltet eine sehr starke Wirkung (vor allem in der emotional aufwühlenden ersten Geschichte „Ein Vertrag mit Gott“).
Das Grafische ersetzt häufig Wörter und gewinnt an erzählerischer Kraft. Die schwarz-weißen Akzente verdeutlichen nicht nur die generelle Stimmung der Handlung, sondern auch sehr schön die psychische Haltung der Charaktere. Verfallen sie gerade in allergrößte Verzweiflung, ist sodann der ganze Hintergrund schwarz eingefärbt und nur ihre Gesichter treten weiß hervor. Im ganzen Band verzichtet Eisner auf Farbe. So kann sein meisterhafter Strich noch deutlicher hervortreten. Sehr oft benutzt Eisner gar keine Panels mehr, sondern ordnet die einzelnen Bilder lose auf der Seite an. Das ermöglicht ihm auch, die Bilder ineinander fließen zu lassen. So etwa während der verhasste Hausmeister onaniert und seine verschiedenen Gesichtsausdrücke sich übereinander legen. Hier achte man auch auf seine Augen, in denen zu sehen ist, wovon er gerade träumt. Und allein die Körperhaltung von Eisners Alter Ego Willie, während er sich entscheiden muss, ob er kommunistisch agitiert oder die mütterliche Hühnersuppe essen will, macht ohne viel Dialog den ganzen inneren Kampf deutlich. Grandios. Und die Duftschwaden der Hühnersuppe, die um ihn herum wehen, bewegen ihn dazu, zum Essen zu bleiben. Die Hühnersuppe hat den Kommunismus besiegt.

Grandios. Zu Recht ein großer Klassiker der Graphic Novels. Die Ausstattung und die komplette Sammlung von Eisners Mietshausgeschichten machen diesen Band zu einem Pflichtkauf.

© Jons Marek Schiemann 2010


Aktuelle Kinderbuch-Rezensionen
Aktuelle Rezensionen
Aktuelle Hörbuch-Rezensionen
Rezensionen von A-Z
Rezensionen nach Genre

Rezensionen von lettern.de