Alice Greenway: Weiße Geister - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Alice Greenway: Weiße Geister

mareverlag
Hardcover
, 224 Seiten
19
,90 €
ISBN: 3-866-48101-2

 

Dieses Buch neu bestellen           gebraucht suchen 


Alice Greenways erster Roman ist das Porträt einer Kindheit in dem vom Vietnamkrieg und der Kulturrevolution geprägten Hong Kong.

Die beiden amerikanischen Schwestern Kate (13-jährige besonnene Ich-Erzählerin) und Frankie (14, rebellisch) leben mit ihren Eltern in einem Dorf in Hong Kong. Ihre Mutter ist mit Malerei beschäftigt, der Vater ist als Fotograf oft wochenlang beruflich in Vietnam unterwegs. So werden die beiden Mädchen hauptsächlich von ihrem kantonesischen Kindermädchen Ah Bing betreut, das hoffnungslos überfordert ist.

Mit überaus poetischer Sprache wird das zerbrechliche, exotische Paradies beschrieben, in dem die beiden Mädchen anfangs sorglos heranwachsen. Alice Greenway verbindet geschickt die Schönheit des Landes und die Unbekümmertheit der beiden Mädchen mit den Schrecken des Krieges. Nicht nur durch die Arbeit des Vaters hat der Krieg seinen Weg bis in das Zuhause von Kate und Frankie gefunden und auch die Kulturrevolution schwappt aus dem großen Nachbarland nach Hong Kong hinüber. So scheint eine Familientragödie unausweichlich, verursacht durch äußere politische und soziale Umstände, sowie die ständige körperliche bzw. geistige Abwesenheit beider Elternteile.

Das Gefühlschaos der heranwachsenden Geschwister und ihre heikle Beziehung zueinander sind treffend beschrieben. Innerlich wie äußerlich sind die beiden Schwestern sehr unterschiedlich, vereint in ihrem ständigen Streben nach Aufmerksamkeit und Anerkennung der Eltern.

Die Autorin selbst wuchs unter anderem in Hong Kong auf und schildert die Atmosphäre der ehemalige Kronkolonie so lebendig, dass ihre Leser meinen, die Gerüche und Geräusche selbst wahrzunehmen, Stadt und Natur mit eigenen Augen zu sehen.

Das beeindruckende Debüt von Alice Greenway ist ein Roman der tiefen Gefühle, über Erinnerungen, Liebe, Verlust und vor allem Sehnsucht, über familiäre Bindungen und Opfer, über das Ende der Kindheit. Außerdem eine wunderbare Momentaufnahme der britischen Kronkolonie im Jahr 1967 aus asiatischer Perspektive. Kate und Frankie werden mich noch eine Weile begleiten.

© Monika Stache 2010


Aktuelle Kinderbuch-Rezensionen
Aktuelle Rezensionen
Aktuelle Hörbuch-Rezensionen
Rezensionen von A-Z
Rezensionen nach Genre

Rezensionen von lettern.de