Donna Leon: Nobiltà Commissario Brunettis siebter Fall Sprecher: Uta Hallant, Götz
Schubert, Krista Posch, Christoph Eichhorn, |
"Ein Skandal. Wider einmal sorgen die Lorenzonis, eine der ältesten venezianischen Adelsfamilien, für Schlagzeilen. Die Leiche und der Siegelring des vor Jahren entführten Roberte Lorenzoni lassen Commissario Brunetti keine Ruhe. Doch der Fall scheint so gut wie geklärt. Wäre da nicht die seltsame radioaktive Verstrahlung des Toten, die Brunetti einen erschütternden Eindruck von einer Familie voller Hass und Habgier verschafft," berichtet die Inhaltsangabe.
Vordergründig ist die Handlung rasant und spannend. Verschiedene Sprecherrollen und Hintergrundgeräusche werden hier als Gestaltungselemente eingesetzt, so dass die Geschichte lebhaft und lebendig erscheint. Die Musik wird so dezent eingesetzt, dass sie zur Spannung beiträgt. Doch oh wehe! Der Inhalt wird so weit zusammengestrichen, dass viel von seinem Charme verloren geht. Leons Erzählkunst, die lebendige Beschreibung von Orten, Personen und Milieus, die Leon'sche Liebe zu dem südeuropäischen Land fehlen hier völlig. Die Hörspielproduktion folgt (leider?) nur der groben Handlung des literarischen Originals.
"Der amerikanischen Professorin für englische Literatur geht es in ihren Krimis nicht um den möglichst kunstvoll konstruierten Kriminalfall, der mit besonderem Kombinationstalent gelöst werden kann, sondern in erster Linie um die spezifische Atmosphäre eines bestimmten Milieus, seine Regeln und Rituale. Donna Leon greift so in all' ihren Kriminalfällen mit Vorliebe hochaktuelle politische oder gesellschaftskritische Themen auf. In Endstation Venedig ist etwa die Mafia Zielscheibe der Ermittlungen; um Frauenhandel und Gewaltvideos geht es in Vendetta, und in Sanft entschlafen nimmt Guido Brunetti schließlich die mysteriösen Machenschaften der katholischen Kirche ins Kreuzverhör. Wichtig ist Donna Leon vor allem der psychologische Hintergrund eines Verbrechens, die Motive und der Blick hinter die Kulissen, in die seelischen Abgründe der Seele," lese ich in einer Beschreibung des Werkes der amerikanischen Autorin.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Beschreibung, die übrigens vom hörverlag stammt, in dieser Form richtig ist. In den Romanen geht es um gesellschaftliche Zusammenhänge. Legt Leon den Finger auf die Wunden ihrer italienischen Wahlheimat? Ich selbst bin noch nie in Italien gewesen, kann also die Verhältnisse dort nicht beurteilen. Ich möchte auch nicht den Stab über das Land brechen. Da die Kriminalromane Leons nicht in Italien veröffentlicht werden dürfen, muss sie wohl sensible Themen ansprechen, mit denen sie in Italien den Nerv trifft. Doch es geht nicht nur um italienische Spezialitäten. Ehrlichkeit und Käuflichkeit, privater Anstand und öffentliche Moral, Korruption und Korrumpierbarkeit, Ehre und Rückgrat, öffentliche und private Moral - sie werden hier zum Thema gemacht. Ob dies zu dem großen Erfolg auch bei uns beitrug? Für mich ist es schon erstaunlich, wie unterschiedlich man einen solchen literarischen Stoff hörliterarisch aufbereiten kann. Langweilig, aber gründlich und umfangreich als Lesung, spannend und teilweise zu umfangreich gekürzt als Hörspiel. Je nach Produzent unterscheidet sich also die hörliterarische Qualität dramatisch. Für mich ist es beeindruckend, wie schnell das gedruckte Original hörliterarisch vermarktet wurde. So zeitlos gut die Bücher sind, so wenig wurden die CDs und MCs bisher in der (literarischen) Öffentlichkeit beachtet. Zu Recht? Man muss schon genau hinhören, um die Qualität der Hörspiele und Lesungen angemessen zu würdigen. Zu leicht gehen Flair und Atmosphäre verloren.
© Andreas Rüdig 2007
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