Nancy
Huston - Instrumente der Finsternis
Übersetzung: M. von Killisch-Horn
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Im Mittelpunkt des neuen Romans der Kanadierin Nancy Huston, steht die in die Jahre gekommene Schriftstellerin Nada, die, obwohl sie sich nach außen hin cool und abgeklärt gibt, eindeutig psychische Probleme hat, die im Wesentlichen auf schlechte Erfahrungen in Kindheit und Jugend beruhen.
Die Grundsituation, die sich dem Leser damit bietet, ist somit keineswegs neu; schon oft lasen wir von Menschen, die ihre Erfahrungen verarbeiten. Das psychologische Gesamtbild Nadas ist dabei keineswegs besonders kompliziert; es ist für den Leser sehr einfach, ihr Wesen zu verstehen. Ihre Probleme sind vor allem auf das gestörte Verhältnis zu ihren Eltern zurückzuführen, immer wieder erhalten wir Einblicke in Nadas Umgang mit ihrer inzwischen verstorbenen Mutter und dem alkoholkranken Vater, mit dem sie noch sporadisch den Kontakt aufrecht hält. Flucht von zu Hause, Affären mit vielen Männern, eine Abtreibung und schließlich die Kariere als erfolgreiche Schriftstellerin, haben sie von der Welt des elterlichen Hauses entfernt.
Glücklicherweise verschont uns Nancy Huston mit einer, in vielen Romanen anderer Autoren üblichen, langweiligen Selbstanalyse der Hauptperson. Die Formen der Selbstanalyse, zwei an der Zahl, die für Nada ausgewählt wurden, um ihr bisheriges Leben zu verstehen, sind ungewöhnlich und sehr gelungen. Zum einen schlagen sich die Stimmungen und Gedanken Nadas in einem historischen Roman wieder, den sie gerade schreibt und dessen Kapitel abwechselnd mit Nadas Tagebuch zu lesen sind.
Dieser Roman ist oberflächlich betrachtet nicht viel mehr als eine unterhaltsame mittelalterliche Räuberpistole, mit Geistererscheinungen und Hexenverfolgung, durch das interessante Wechselspiel von Nadas Stimmungen und den Erfahrungen der handelnden Personen dieses Romans, im Wesentlichen das Zwillingspärchen Barbe und Barnabé. Roman und psychische Verfassung Nadas beeinflussen sich auf feine Weise gegenseitig.
Auf der anderen Seite steht Nadas innerer Dialog mit ihrem, wie sie es sagt, Daimon. Er beherrscht sie zwar, dieser Daimon, doch diese Gespräche, in denen über Nadas Leben und ihr neues Buch diskutiert wird, stehen beide in der Rangordnung fast an gleicher Stelle. Beide versuchen dem anderen gegenüber Stärke zu zeigen, verwenden dabei aber eine höfliche Sprache. Oft verfallen beide in einen Plauderton. Angesichts der Grundsituation sind diese Gespräche sehr gelungen und ein sehr origineller Aspekt des Romans.
Somit setzt sich aus verschiedenen Einzelteilen, wie ein Mosaik, ein hochinteressanter Roman zusammen, der verschiedene Stilmittel koppelt und uns ganz in der Seelenwelt eines anderen Menschen versinken lässt und der dabei noch prächtig unterhält.
© Till Weingärtner 2001
Vorab sei gesagt: es handelt sich um ein finsteres, seltsames Buch. Die knapp dreihundert Seiten werden auf die meisten Leser nicht nur eine tiefe, sondern auch eine länger anhaltende Wirkung haben. Aber ob man das Buch nun mag oder nicht: dem Sog der Geschichte kann man sich nur schwerlich entziehen.
Erzählt wird auf parallelen Ebenen. Da ist zum einen die Schriftstellerin mit dem sprechenden Namen Nada (= Nichts), die seit ihren frühen Kindheit das Gefühl hat, ihre Seele sei verstimmt. In der Musik bezeichnet man eine solche Verstimmung der Saiten als „Scordatura“.
Akribisch beschreibt Nada ihr Anderssein und ihren Lebensschmerz in ihrem Tagebuch. Unterbrochen werden diese aufwühlenden Beschreibungen von einzelnen Kapiteln eines historischen Romans, an dem Nada arbeitet. Diese Parallelgeschichte erzählt von dem Zwillingspaar Barbe und Barnabé, die zur Zeit Ludwig XIV. leben und sofort nach ihrer Geburt getrennt werden.
Die tragische Geschichte der fremdbestimmten Zwillinge, die dem Schicksal hilflos ausgeliefert sind, korrespondiert stark mit dem Leben der Protagonistin, die sich als Frau der Neuzeit zwar völlig andersgearteten Problemen ausgesetzt sieht, aber dem Leben ähnlich machtlos gegenübersteht.
Ein weiterer ungewöhnlicher Aspekt des Romans sind Nadas innere Dialoge mit ihrem, wie sie ihn nennt, Daimon. Hier findet der Machtkampf, den Nada in ihrem Inneren führt, einen deutlichen Ausdruck.
Das Mosaik aus diesen drei Einzelteilen lässt sich leicht kombinieren und ergibt einen brillanten Roman, in dem verschiedene Stilmittel verbunden wurden. Man kann ihn als fesselnden Roman lesen, der einen ein paar Stunden lang vorzüglich unterhält - aber auch als Text, der viele Verknüpfungen enthält und zahlreiche Möglichkeiten zur Interpretation bietet.
Nancy Huston wurde 1953 in Calgary/Kanada geboren und lebt inzwischen in Paris. Für Instrumente der Finsternis erhielt sie den Prix Conourt de lycéens und den Prix du Livre Inter. Sie ist mit dem bulgarischen Wissenschaftler und Schriftsteller Tzvestan Todorov verheiratet.
© Heide John 2005
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