Graham Joyce - Traumland

Lübbe 
TB  
252 Seiten 
6,59 € 
ISBN: 3-404-13824-4

 

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AUFWACHEN!!! UM HIMMELS WILLEN, WACHEN SIE AUF!!!

Ja, ich weiß, es ist 2 Uhr 18 morgens, aber ich muss Ihnen eine Frage stellen. Es ist eine sehr wichtige, sie kann Leben retten, das Ihrige. Sind Sie ein luzider Träumer?

Bitte? Oh, um 2 Uhr 20 fällt es Ihnen schwer im Gedächtnis herumzukramen. Was das ist? Bitte verzeihen Sie, es war ein wenig unachtsam von mir. Luzide Träumer sind Menschen die träumen, sich dabei bewusst sind, dass sie träumen, manchmal ihre Träume beeinflussen und sie sogar steuern können.

Oh, Sie sagen, ab und an haben Sie das mal? Dann rate ich Ihnen, nicht mehr zu schlafen. Nein, bitte, fertigen Sie das Ganze nicht einfach mit einem barschen: "Blödsinn!" ab.

Ich weiß von vier amerikanischen Studenten, Ella, Lee, Brad und Honora, die sich für Experimente des luziden Träumens zur Verfügung gestellt hatten. Sie lernten unter Anleitung eines Professors, übten, schafften es erst sich alleine zu träumen, dann ihre Träume in eine Bahn zu lenken und sich alle in ihren Träumen zu treffen. Doch je weiter sie sich vorwagten, desto schneller stießen sie auf Schwierigkeiten. Diese fingen ganz langsam an.

Die vier träumten, erwachten aus dem Traum, gingen einer Tätigkeit nach, erwachten aus dem Traum, gingen einer anderen Tätigkeit nach, erwachten aus dem Traum. In einem späteren Stadium gelang es ihnen sogar etwas aus dem Traumland in die reale Welt zu transportieren. Zuerst nur Emotionen, Geschmack, Geruch, dann leichte Verletzungen, schließlich sogar Gegenstände. Doch die ganzen Anstrengungen belasteten die Psychen der vier Studenten. Unzufriedenheit, Neid, Streit und sogar Hass waren die Folgen, und es eskalierte, als Honora im Traumland vergewaltigt wurde; als sie erwachte, war ihre Hyme blutig gewesen... Dann brach der Kontakt.

Jeder der vier flüchtete überstürzt und bis auf Honora betrat auch niemand mehr das Traumland. Die Irin wurde jedoch immer wieder hineingezogen und jedes mal wurde ihr Bauch umfangreicher, bis sie schließlich im Traumland das Kind gebar. Danach hatte auch sie erst ihren Frieden und lebte, wenn auch ein wenig apathisch, in der normalen Welt ohne Traumland, ohne Wiederholungen.

Sie, aber auch die anderen hatten ihre Ruhe, 13 Jahre lang. Dann schlug das Traumland zurück. Hart! Brutal! Erbarmungslos! Das entbundene Kind verlangte seinen Tribut! Die vier hatten keine andere Wahl; sie mussten ins Traumland zurück zu ihrem letzten, entscheidenden Kampf - ein Kampf mit tödlichem Ausgang.

Ich hoffe, ich habe Ihnen mit dieser Geschichte keine Angst eingejagt. Bitte verzeihen Sie. Bestimmt ist alles nur halb so schlimm und da Sie selber sagen, dass die luziden Träume sehr, sehr selten vorkommen...

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und - selbstverständlich - wunderschöne Träume. Und glauben Sie nur, was Sie wirklich sehen. Ach so, ja, eine Antwort muss ich Ihnen leider schuldig bleiben: Stehe ich real in Ihrem Schlafzimmer oder träumen Sie das bloß?

Graham Joyce hat mit Traumland einen subtilen Psychohorror geschrieben, der m. E. das Recht hat von vielen Fans dieses Genres gelesen zu werden. Auch wenn der Showdown ziemlich schnell über die Bühne geht, so versteht Joyce es doch fabelhaft, den Leser vom scheinbar Unscheinbaren konsequent und gnadenlos in den Abgrund der Angst zu ziehen, ihn Glauben zu machen, es sei Realität und nicht bloß ein Roman. Kompliment!

Ich kann es Lesern dieses Genres sehr empfehlen; Splatterfans sollten jedoch die Hände davon lassen.

© Michael Vogl 2001


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