Hitomi Kanehara: Obsession Ullstein Verlag
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Autofiktion? - hoffentlich nicht!
Rin und Shin sind auf dem Rückflug ins heimische Japan. Es ist die Rückreise von ihren Flitterwochen und schnell wird deutlich, dass Rin sowohl sehr verliebt als auch extrem eifersüchtig ist. "Dank" ihrer blühenden Fantasie ist sie fest überzeugt, dass eine Stewardess hinter ihrem Mann her ist und ihr Mann ihr fremdgeht.
Was anfangs noch einigermaßen amüsant-überspannt
daherkommt, artet schnell zu kranken und vor allem nervigen Fantasien aus. Am
Anfang des Buches sagt Rin zu sich selbst: "Es musste etwas Originelleres her.
Etwas Witziges, eine Geschichte mit Esprit." Genau das ist "Obsession" leider
nicht. Stattdessen erwartet den Leser eine Tour de Force kranker und abstruser
Sexfantasien, sowie exzessiver Eifersucht.
Rins Stimmungsschwankungen lassen jeden pubertierenden Teenager ruhig und
ausgeglichen erscheinen. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass andere Menschen
ihr Böses wollen. Von ihrem Mann erwartet sie, dass er jederzeit für sie da ist
und klebt an ihm wie eine Klette.
Schon nach dem ersten Kapitel fragte ich mich, wie Shin das aushält. Wirklich überrascht war ich, dass er es mehrere Jahre erträgt – bis Rin plötzlich entdeckt, dass sie ihn nicht mehr liebt und die Scheidung einreicht. Shins Reaktion darauf ist nicht mehr Thema des Buchs, denn es folgt ein anderer Abschnitt in dem Rin noch einige Jahre jünger ist und schon große psychische Probleme hatte. Auch in den nächsten Abschnitten werden Episoden aus Rins Vergangenheit erzählt. So endet die lineare Handlung eigentlich damit, dass sie beschließt, sich von Shin scheiden zu lassen. Der Leser erfährt nicht, ob sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, oder weiterhin die Schuld bei anderen suchen wird. Sicherlich hatte ich auch Mitleid mit Rin, aber ihre Handlungen und Gedanken waren zu oft zu extrem und nicht nachvollziehbar.
Hätte ich das Buch nicht geschenkt bekommen, hätte ich es schon nach wenigen Seiten weggelegt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ein schlechtes Buch zu Ende gelesen habe. Sicherlich muss eine junge Autorin in Japan provokant schreiben, um Aufmerksamkeit zu erregen. In einer Kultur, in der pornografische Mangas und gebrauchte Unterwäsche von Schülerinnen verkauft werden, muss sie sehr weit gehen. Aber bei "Obsession" blieb für mich das Lesevergnügen auf der Strecke. Ein wenig fühlte ich mich an "Shanghai Baby" von Wei Hui erinnert, sowie an "Feuchtgebiete", denn auch dort erzeugten die Autorinnen Aufmerksamkeit (und Umsatz) durch Tabubruch und Provokation. Das Leben der weiblichen Hauptfiguren der drei Bücher hat nur sehr wenige Gemeinsamkeiten mit dem der gleichaltrigen Durchschnittbevölkerung. Passenderweise habe ich "Obsession" bisher auch nur in Erotik-Abteilungen gesehen.
Auf mich wirkt "Obsession" wie moderne Kunst: Von vielen bewundert und hoch gelobt, aber nur von wenigen wirklich verstanden und kaum einer möchte es im eigenen Wohnzimmer haben.
© Monika Stache 2009
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