Olaf Kraemer: Ende
einer Nacht Die letzten Stunden von Romy Schneider Blumenbar Verlag
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"Die sie schon länger kennen, behaupten, ihre Nachtseite sei das Privatleben: Wenn die Lichter angehen, erblühe sie in gleichem Maße wie sie in sich zusammensacke, sobald die Lichter wieder verlöschen."
Romy Schneider, die im September 2008 siebzig Jahre alt
geworden wäre, ist eine der großen deutschen Legenden. Nicht nur, weil sie eine
der herausragenden Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts war, sondern auch
aufgrund ihrer tragischen Lebensgeschichte.
Von ihrer ehrgeizigen Mutter Magda zu frühem Ruhm gedrängt, von einem großen
Teil der Film- und Fernsehzuschauer lebenslang durch den Sissy-Stempel geprägt,
wenig glücklich mit ihren Liebhabern und Ehemännern und zutiefst betroffen von
grausamen Schicksalsschlägen wie dem Tod ihres Sohnes David.
Romys Leben war kurz. Am 29. Mai 1982 starb sie – und ähnlich wie Marilyn Monroe
und Diana wurde auch sie aufgrund ihres frühes Todes zum Mythos.
Olaf Kraemer wagt mit seinem Roman "Ende einer Nacht" ein
mutiges Experiment; eines, das un- und außergewöhnlich zugleich ist: Er
vermischt Fakten und Fiktion und erzählt die letzten Stunden ihres Lebens. Seine
in der dritten Person Singular und in Dialogform geschriebene Geschichte beginnt
an einem Frühlingsabend in Paris um 23.57 und endet um 7:01 mit Romy Schneiders
Tod.
In den dazwischen liegenden Stunden begleitet der Leser sie und erfährt
zunächst, dass sie beschlossen hat, ihre Biografie zu schreiben; er folgt den
Gedanken über ihren Lebensgefährten Laurent: "Seine Anwesenheit hat etwas
Beruhigendes für sie. Genau wie seine Abwesenheit."
Auch von Mariengrund und dem Nationalsozialismus lässt Kraemer seine
Protagonistin erzählen, vom Mädchenpensionat Goldenstein und von der
übermächtigen Mutter. "... dieser Frau, die ihr das Leben geschenkt hat – und es
nicht hergeben will."
Über Rainer W. Fassbinder heißt es: "Der Arztsohn aus dem Allgäu ist für sie
immer noch einer der wenigen, die an beiden Enden brennen, statt auf kleiner
Flamme zu verköcheln; da sind sie sich beängstigend ähnlich in ihrer bayerischen
Maßlosigkeit, der Gier nach Leben. Nach Unbedingtheit."
Durch Fassbinder kommt sie laut Kraemer in Kontakt mit Kokain, Harry Meyen
werden die Tabletten zugeordnet: "... doch Harry hatte ihr gezeigt, wie man den
Tag und die Nacht feinsäuberlich in Teile zerlegen konnte. Für ihn waren
Tabletten wie kleine, jederzeit verfügbare persönliche Raumschiffe, die es ihm
erlaubten, über die eigenen Abgründe zu fliegen."
Und es sind ohnehin die Süchte, die eine durchgängig wichtige Rolle spielen:
Alkohol, Zigaretten, Tabletten. Über, unter und neben alldem steht die Sucht
nach Anerkennung, Liebe und nach dem Leben.
Alain Delon war Romys große Liebe, den Vater ihres Sohnes David, Harry Meyen,
dessen Schicksal ebenfalls bedrückend und traurig anmutet, "hat sie sich
gekauft", mit Daniel Biasini hat sie die Tochter Sarah, und gegen Ende ihres
Lebens lebt sie mit Laurent Petin zusammen, der ihre Leiche finden wird.
Das Reflexive kommt in Bewegung und wird erweitert als Kraemers Romy sich im
Laufe dieser langen Nacht nach draußen begibt, um Beruhigungsmittel für das
bevorstehende lange Wochenende zu besorgen. Sie werden ihr verweigert, deshalb
treibt sie durch die Nacht, beobachtet, denkt, erinnert sich, unterhält sich mit
einem Taxifahrer – und landet schließlich beim "petit docteur", einem, der jedes
Medikament verschreibt, einem, der jede Droge verabreicht.
Es ist 6:18 als sie wieder in ihrer Pariser Wohnung eintrifft, in der Laurent
und ihre Tochter friedlich schlafen – und es ist 7:01 als das Telefon klingelt:
„Sie lächelt und scheint zu schlafen ... doch sie ist jetzt nicht mehr da.“
Kraemer hat dieses Leben nicht nur auf eine sehr
eigenwillige Art und Weise beschrieben, ihm sind darüber hinaus viele schöne
Sätze gelungen, bewegende Bilder und nachvollziehbare Gedanken. Sein Buch führt
den Leser durch Romys letzte Nacht – und es ist nicht wichtig, ob diese so oder
anders verlaufen ist. Entscheidend ist, dass der Autor die Person Romy Schneider
erfasst und augenscheinlich sogar verstanden hat.
Man folgt ihm und ihr und würde dieser Unausweichlichkeit gerne Einhalt gebieten
– und auch das macht ein lesenswertes Buch aus: Es nimmt einen mit. Auf eine
Reise.
© Heide John 2008
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