Manchmal ist es erstaunlich, was einem die Verlage als Roman andrehen möchten. Thorsten Krämers Neue Musik aus Japan bezeichnet sich jedenfalls als Roman, doch schon die Empfehlung in der Einleitung, wo es heißt, es sei ein Roman, "den man lesen kann, wie man eine CD hört: hintereinander oder nach dem Zufallsprinzip", lässt erahnen, dass es sich hier auf keinen Fall um einen herkömmlichen "Roman" handelt.

Thorsten Krämer wollte ganz originell sein. Zunächst lesen wir eine Reihe von kurzen Erzählungen, nach und nach tauchen in den Erzählungen Personen auf, die wir schon in anderen Erzählungen angetroffen haben. Alles verflechtet sich dann irgendwie, was dann wohl eine pfiffige Konstruktion darstellen soll.

Es ist jedoch nichts weiter, als eine Schöpfung, die wohl jeder selber innerhalb von 30 Minuten hätte machen können, wenn er oder sie ein Blatt Papier und einen Stift im Haus hätte; das Ganze kann man getrost vergessen, zumal man sich meistens sowieso kaum an die Figuren erinnern kann, sobald sie wieder auftreten. Zu farblos sind die Charakterisierungen, kaum eine Eigenschaft oder eine Schilderung hebt eine Figur von der anderen ab. Selten hat man so blasse Charaktere erlebt, wie in diesem Buch.

Die kleinen Geschichten selber sind dann sogar teilweise ganz nett erzählt, durch die Einstreuung einiger Japaner und Chinesen bemüht sich Kraemer um ein asiatisches Flair. Dann gibt es sogar noch die eine oder andere recht originelle Idee, von denen einige jedoch aus gewissen japanischen Romanen stibitzt zu sein scheinen.

Insgesamt also alles viel zu wenig, um eine Veröffentlichung bei einem eigentlich doch recht renommierten Verlag, noch dazu als Roman oder gar eine Kaufempfehlung, zu rechtfertigen. Ein Buch also, das man getrost im Regal stehen lassen kann.

©  Till Weingärtner 2000

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