Siegfried Lenz - Arnes Nachlaß - Rezension Lettern.de Siegfried Lenz - Arnes Nachlaß

Hoffmann und Campe
Taschenbuch,
206 Seiten 
8,50 € 
ISBN 3-423-12915-
8

 

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Der letzte Roman Siegfried Lenz', unbestritten einer der größten lebenden deutschen Romanciers, liegt bereits fünf Jahre zurück, nun erschien Arnes Nachlaß, weit weniger umfangreich als manch gewichtiger Vorgänger.

Wieder einmal spielt es am Meer, im Umkreis der Seefahrer und Sehnsüchte, interessanterweise diesmal an einem Ort zum Abwracken alter, ausgedienter Schiffe. Die Betreiberfamilie bekommt unverhofft ein neues Familienmitglied.

Arne ist der Sohn eines Kapitäns, der aus Kummer über die wachsenden Schulden mit seiner ganzen Familie in den Tod zu gehen beschloss. Arne überlebt nur durch einen Zufall und steht nun ganz alleine da. Allein Hans, der älteste Sohn seiner neuen Familie, nimmt sich ihm brüderlich an, und es entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Jugendlichen. Dass Arnes Schicksal keinen guten Ausgang nimmt, weiß der Leser von Anfang an.

Erzählt wird die Geschichte aus Hans' Sicht, der, nachdem Arne aus seinem Leben verschwunden ist, dessen Besitztümer verpackt und sich an die gemeinsame Zeit mit Arne erinnert und dabei oft eine Art Gespräch mit ihm führt. Nur gelegentlich wird er bei seiner Arbeit und seinem Sinnieren von seinen Verwandten unterbrochen, die mit ihren Worten einen weiteren Beitrag leisten, dass sich ein Leser sein eigenes Bild von Arne machen kann. Arne war mit besonderen Eigenschaften und Eigenarten bedacht, die es ihm schwer machten, Anschluss in der Gruppe zu finden. Außer bei Hans stößt er bei allen anderen Jugendlichen nur auf Ablehnung, oft sogar auf Hass.

Siegfried Lenz liefert uns sicher kein genaues Bild der Jugendlichen von heute. Man mag zum Beispiel einwerfen, dass sich männliche Jugendliche in der Öffentlichkeit (und schon gar nicht vor denen, von denen man gehänselt wird) niemals aneinander schmiegen würden, was Hans und Arne oft tun. Auch die von Siegfried Lenz geschilderten Turnstunden gehören, zum Glück, in dieser Form der Vergangenheit an. Doch das sind Äußerlichkeiten, man kann Lenz nicht vorwerfen, dass er nicht der Techno-Generation angehört.

Was Lenz auch in diesem Buch zeigt ist, dass er meisterlich die Höhen und Tiefen der Verfassung der menschlichen Seele, die sich schließlich unabhängig von Moden der Zeit entwickelt, aufzeigt, was ihm immer eindrucksvoll in knappen Worten gelingt.

Siegfried Lenz schreibt über die Trauer, aber er vollführt dazu keine melodramatischen Eskapaden. Er ist der perfekte Beherrscher der Melancholie, die bei ihm ohne übertriebene Dramatik und interessanterweise ohne die Spur von Weltschmerz oder Pessimismus daherkommt. Das ist Siegfried Lenz' große Stärke, die er uns auch mit Arnes Nachlaß spüren lässt.

© Till Weingärtner 2000


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