James Meek - Die einsamen Schrecken der Liebe - Rezension Lettern.de James Meek - Die einsamen Schrecken der Liebe

Droemer-Knaur
Aus dem Englischen von Malte Krutzsch, Karen Nölle-Fischer
broschiert, 430 Seiten
8
,95 €
ISBN 3-426-63473-
2
Hörbuch: 3-870-24008-3

 

Dieses Buch neu bestellen    <- gebraucht suchen


Der Debütroman des 1962 in London geborenen James Meek ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich – und absolut empfehlenswert! Das gilt allerdings nicht für empfindliche Gemüter!

Bereits die erste Szene transportiert den Leser unwillkürlich mitten hinein in eine ungewöhnliche Geschichte, die ihn sofort erkennen lässt, dass es in diesem Roman nicht nur um "die einsamen Schrecken der Liebe", sondern auch um ganz anders geartete Schrecken gehen wird. 

Die Liebe zu ihrem im Ersten Weltkrieg verschollen geglaubten Mann, verschlägt die schöne Anna Petrowna und ihren kleinen Sohn in das sibirische Städtchen Jasyk, irgendwo zwischen Omsk und Krasnojarsk in der sibirischen Tundra. In dem kleinen Ort lebt die – historisch verbürgte – Sekte der Skopzen. Es handelt sich um radikale Pazifisten, die fest daran glauben, durch Kastration und Genitalverstümmelung schon im irdischen Leben zu Engeln werden zu können.

 

Es ist die Zeit der Postrevolution, die selbst das Leben in der kleinen Stadt beeinträchtigt, obwohl die Oktoberrevolution bislang nicht zu ihr vorgedrungen ist. Ein unheimlicher Fremder, der durch Schnee und Eis aus einem Gefangenenlager im hohen Norden bis nach Jasyk geflohen ist, bringt die Steine ins Rolle – und die eigentliche Geschichte in Fluss.

 

Der entflohene Sträfling Kyrill Iwanowitsch Samarin hat eine dunkle Vergangenheit und verfolgt ein ureigenes Ziel. Als er nach Jasyk kommt, erweckt er sogleich das Misstrauen des Militärs. Die Russin Anna Petrowna, die im Dorf durch ihre Beziehung zu einem Major der Weißen Armee einen gewissen Schutz genießt, bietet sich an, den Fremden bei sich aufzunehmen. Schon bald verliebt Anna sich in den geheimnisvollen Samarin, ohne auch nur im geringsten zu ahnen, wem sie Obdach und Herz gewährt.

 

 

Meek entrollt und verknüpft die Geschichten seiner Protagonisten mit betonter Langsamkeit. Wie beim Schälen einer Zwiebel wird Haut um Haut gelöst, bis man sich allmählich dem Kern nähert. Und so stößt der Leser – getragen von einem gelassenen und dennoch spannenden Erzählfluss – erst spät auf die Wahrheit und erfährt, was es mit Anna Petrowna und ihrem verschollen geglaubten Mann, mit dem Flüchtling Samarin, dem tiefgläubigen Gemeindevorsteher Balschow, mit dem tschechischen Leutnant Josef Mutz und den tiefgläubigen Dorfbewohner auf sich hat.

 

James Meek erzählt mit großem Geschick und bedient sich einer höchst poetischen, klaren Sprache, die an die großen russischen Erzähler erinnert. Er führt die Leser behutsam und zugleich mit großer Zugkraft an die Geheimnisse seiner Helden heran. An Geheimnisse, bei denen es um Glauben, Vertrauen, Machtmissbrauch, Einsamkeit und nicht zuletzt auch um die Schrecken der Liebe geht ...

© Heide John 2006


Aktuelle Kinderbuch-Rezensionen
Aktuelle Rezensionen
Aktuelle Hörbuch-Rezensionen
Rezensionen von A-Z
Rezensionen nach Genre

Rezensionen von lettern.de