Martin Millar - Die Elfen von New York - Rezension Lettern.de Martin Millar - Die Elfen von New York

dtv 
Taschenbuch,
294 Seiten 
9,95 €
ISBN 3-423-20165-7

 

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Um es gleich vorweg zu nehmen: Eingefleischte Fans epischer Fantasy, brauchen diesen Artikel ab hier nicht mehr weiter lesen. Auch Fans humorvoller, aber braver Fantasy eines Terry Pratchetts kommen nur bedingt auf ihre Kosten, denn die Elfen in Die Elfen von New York sind nicht gerade Elfen, wie sie im Buche stehen - zumindest nicht stehen sollten.

Zu ihren Hobbys zählen: sich mit Whisky voll laufen zu lassen, auf Teppiche zu kotzen (keine Angst, Feenkotze riecht für Menschen köstlich...), sich in einer Tour untereinander zu fetzen - und wo immer sie auftauchen, Ärger anzuziehen wie das Licht die Motten. Dabei haben es Heather und Morag doch nur gut gemeint, als sie eines Tages in das Zimmer Dinnies geflogen kamen, um dem rüden Menschenfeind und untalentiertesten Musiker der Weltgeschichte Geigenunterricht zu geben.

Nach einem Streit trennen sich die beiden Feen und eine findet Zuflucht bei Kerry, einem hübschen, begehrenswerten Mädchen (in das Dinnie total verschossen ist, und wegen dem er einen Haufen Arbeit auf sich nimmt), die an der 'Chronschen Krankheit' leidet, die ihr den Darm zerfrisst.

Kerry, ein psychedelisch angehauchter Mensch, sieht nur eine Möglichkeit sich zu heilen, und diese Möglichkeit sucht sie im keltischen Blumenalphabet. In diesem Blumenalphabet spielt ein dreiblättriger walisischer Klatschmohn eine entscheidende Rolle. Diese Pflanze - ohnehin ziemlich selten zu finden - durchlebt eine große Wanderung. Kaum das Kerry sie gefunden hat, "verschwindet" sie durch ganz dumme Zufälle wieder. Nutznießerin dieses Fiaskos ist die wirre Magenta, eine Stadtstreicherin, die sich für Xenophon hält und eine imaginäre Truppe griechischer Söldner gegen einen imaginären, tyrannischen König anführt. Sie sieht diese Pflanze als Kriegsbeute.

Wie gesagt, Heather und Morag meinten es wirklich gut. Sie meinten es gut, als sie eine Bank beraubten, um Dinnies Miete zu bezahlen; sie meinten es gut, als sie Hummer aus einem Bassin befreiten, was jedoch nicht verhinderte, dass sie mit diesen Aktionen die italienischen und die chinesischen Elfen zuerst auf sich und schließlich gegeneinander aufbrachten.

Aber nicht nur einen Bandenkrieg gibt es in diesem Roman. Zufällig spielt parallel ein Krieg gegen einen tyrannischen irischen Elfenkönig, gegen den eine Handvoll Elfen einen Guerilla-Krieg versucht; leider nur mit mäßigem Erfolg. Die Rebellen versuchen ihn zu stürzen und seine beiden flüchtigen Kinder auf den Thron zu setzen, was dieser, der machtgierig ist, natürlich über alle Wege verhindern will. Deshalb schickt er Suchtrupps aus und auch Söldner, damit sie ihn von diesem Problem befreien.

Die Flüchtigen haben im Prinzip nur eine Möglichkeit, den ungleichen, vorprogrammierten Kampf zu gewinnen: sie brauchen drei Wahrzeichen: Ein ganz bestimmtes magisches Schwert, eine ganz bestimmte Fahne und eine ganz bestimmte Geige. Damit, so sagt der Elfenvolksmund, ist jede Schlacht so gut wie gewonnen. Das Schwert besitzen die Flüchtigen schon, die Fahne haben sie zwar auch, allerdings fehlen dort zwei Stücke, und die findet man - wie kann es anders sein - bei Heather und Morag.

Sie haben sich - wie üblich ohne böse Absicht und natürlich ganz aus Versehen - erlaubt zwei wärmende Decken aus einem vermeintlichen Stoff-Fetzen zu schneiden, nicht ahnend, dass dieser Fetzen in Wirklichkeit die Fahne war und sie damit ein Wahrzeichen zerstört haben, aber sie haben eine winzigklitzekleine Chance: Dinnie spielt - ohne dass er es ahnt - besagte Geige. Wenn die Elfen diese nur bekommen könnten, dann - so rechnet sich jede aus - werden sie mit Freuden - und natürlich - als Helden empfangen.

Also schließt eine einen Deal mit Dinnie: Wenn sie dafür sorgt, dass Dinnie und Kerry ein Paar werden, bekommt sie die Geige. Andererseits schließt die andere einen Deal mit Kerry: Wenn sie so tut, als ob sie mit Dinnie, so könnte sie die Geige... äh... erobern. Dieser Deal kostet Dinnie - wie er bedauerlicherweise feststellt - einen Haufen Arbeit, Stress und bringt ihm auch noch eine Menge Ärger ein, aber es gelingt, und die beiden gehen ein paar Mal miteinander aus.

Doch damit ist das Happyend noch lange nicht erreicht. Nicht nur, dass die Söldner die Flüchtigen aufgestöbert haben und mittels Magie zum endgültigen Vernichtungsfeldzug übergehen; nicht nur, dass die Rebellen sich plötzlich in Bedrängnis sehen und um ihr Überleben kämpfen müssen, nein, auch Morag und Heather liegen sich wieder einmal in den Haaren, weil jede von ihnen meint, die rechtmäßige Besitzerin der Geige zu sein, die Dinnie immer benutzte. Als jedoch die Söldner zum Angriff übergehen, müssen sie sich schon dazu überreden, die Fidel aus der Hand zu geben. Immerhin haben die Elfen jetzt alle drei im Buch auftauchenden Wahrzeichen zusammen und wären damit unbesiegbar. Wenn, ja, wenn...

Martin Millar schafft es in diesem Roman, sehr viele Handlungsfäden zu spannen und so geschickt miteinander zu verweben, dass eine wahnwitzige Story daraus gestrickt wurde - nicht turbulent, dafür schnell - nicht brav und bieder, dafür progressiv und modern.

Die Figuren, die in diesem Roman auftauchen, sind sehr lebendig (auch wenn sie eigentlich tot sind), die Szenen und Beschreibungen sprühen nur so vor Esprit, und obwohl man nicht unbedingt -  nicht immer -  mit den totalen Überraschungen rechnen sollte bzw. einiges vorhersehbar ist, schafft es Millar doch, dem Leser nichts vorzukauen, ihm eine Mischung zwischen Grinsen und Sich-wegschmeißen-vor-Lachen vorzulegen und ihn dann supergeschickt ins furiose Finale zu führen. Ein weiterer Pluspunkt: in diesem Buch steckt viel Liebe.

Den einzigen Dämpfer, den man dem Buch verpassen muss, ist, dass einige Stellen und Situationen wahrlich ein klein wenig überspannt wirken. Dennoch ist dieses Buch sehr lesenswert, und Millar hat es verdient, damit den großen Durchbruch in Deutschland zu schaffen!

© Michael Vogl 2001


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