Hanns-Josef Ortheil - Im Licht der Lagune - Rezension Lettern.de Hanns Josef Ortheil - Im Licht der Lagune

btb Verlag 
Taschenbuch,
314 Seiten 
9,00 € 
ISBN 3-442-72477-
5

 

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Der in Stuttgart lebende Schriftsteller Hans-Josef Ortheil machte im letzten Jahr bei Kritik und Leserschaft durch seinen Goethe-Roman Faustinas Küsse auf sich aufmerksam. Sein soeben erschienener neuester Roman Im Licht der Lagune ist erneut ein Lesefest für alle Sinne.

Venedig im achtzehnten Jahrhundert. Der Conte Paolo di Barbaro findet einen bewusstlosen jungen Mann, der sein Leben grundlegend verändern wird. Andrea, so der Name des Fremden, kann sich nicht an seine Vergangenheit erinnern und entpuppt sich als außergewöhnlicher Charakter, der durch sein Verhalten die Aufmerksamkeit der Umgebung auf sich zieht. Nur bruchstückhaft tritt seine Vergangenheit zu Tage. Seine Liebe zum Wasser begründet er mit seiner Vergangenheit als Fischer. Er spricht zwar den Dialekt Venedigs, hat jedoch keinerlei Erinnerungen, mit jener Stadt verbunden zu sein.

Als der Conte seine genaue Beobachtungsgabe erkennt, bringt er Andrea in Kontakt mit der Malerei, wo Andrea Erstaunliches leistet und die großen Künstler seiner Zeit mit revolutionären Behauptungen vor den Kopf stößt. Auch die Tochter des Nachbar-Anwesens wird auf den ungewöhnlichen Andrea aufmerksam, die Wege der beiden jungen Menschen knüpfen sich von da an aneinander und bestimmen schließlich das Schicksal aller drei Hauptpersonen.

Es ist nicht immer leicht für einen modernen Autoren, einen Roman zu schreiben, der in historischer Zeit spielt. Hans-Josef Ortheil hat kein Historiendrama geschrieben, das den Leser mit Geschichtsdaten langweilt oder solche als Voraussetzung zum Verständnis erwartet. Vielmehr schildert er gekonnt die Atmosphäre einer vergangenen Epoche und den beginnenden Verfall einer Stadt, deren große Macht langsam dem Verfall ausgesetzt ist.

Die Atmosphäre Venedigs mit seinen Kanälen und Gondeln, Marktplätzen, Festen und kleinen dunklen Bordellen ist meisterhaft eingefangen, man fühlt sich beim Lesen geradezu von den Gerüchen und Geräuschen der Stadt umgeben, alles verfeinert durch die Hand eines Künstlers. In diesem geradezu begehbaren Venedig agieren Ortheils Charaktere.

Ortheil lässt sich gar nicht erst auf komplizierte psychologische Verwirrspiele der Protagonisten ein. Das Leiden und Zaudern auf der einen, und die Freude, das Glück und die Lust auf der anderen Seite, sind menschlich geschildert  und strahlen eine große Wärme aus.

Es ist, als wenn uns die warme Sonne auf einem schönen Gemälde Venedigs aus diesem wundervollen Roman entgegenstrahlte.

© Till Weingärtner 2000


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