Carolyn Parkhurst - Nenn es Himmel - Rezension Lettern.de Carolyn Parkhurst - Nenn es Himmel

Goldmann Verlag 
Hardcover
19,90 €
ISBN 3-442-31062-8

 

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Von gefallenen Frauen und sprechenden Hunden

 

Das Leben des Linguistik-Professors Paul Iverson verändert sich an einem ganzen normalen Tag im Herbst, als die Polizei ihm mitteilt, dass seine über alles geliebte Frau Lexy bei einem Sturz vom Apfelbaum ums Leben gekommen ist. Paul ist fassungslos vor Entsetzen. Nach dem ersten Schock regen sich Zweifel an der offiziellen Version vom Tod seiner Frau: War es wirklich ein Unfall – oder hat sich die latent depressive Lexy das Leben genommen?

 

Im Haus stößt Paul auf rätselhafte Hinweise, die er nicht zu deuten weiß. Weshalb hat Lexy alle Bücher in den Regalen umsortiert? Und warum hat sie dem Hund kurz vor ihrem Tod ein 500 Gramm schweres Steak gebraten, das eigentlich für das gemeinsame Abendessen bestimmt war? Ratlos und von Grund auf verzweifelt, sieht Paul Iverson seine einzige und letzte Chance darin, Lexys geliebter Hündin Lorelei das Sprechen beizubringen, damit die einzige Zeugin ihm die Wahrheit über Lexys Tod erzählen kann.

 

Paul ist so besessen von seiner Idee, dass er seine Arbeit aufgibt und sich vollständig aus dem Alltagsleben zurückzieht. Wenn er nicht mit dem Hund experimentiert, denkt er an sein gemeinsames Leben mit Lexy: an ihre erste Begegnung auf einem Flohmarkt, an ihr erstes Rendevouz in Disneyland. Er erinnert sich an die Geschichte einer großen Liebe voller poetischer und romantischer Augenblicke, aber auch daran, dass seine schöne, lebensfrohe Frau auch eine dunkle und unbeherrschte Seite hatte, die einen immer größer werdenden Schatten auf ihre Ehe warf. Die sensible Lexy, die ihr Geld mit der Herstellung rätselhafter Masken verdiente, trug auch im realen Leben eine Maske, hinter der sie ihr wahres Wesen versteckte.

 

Bis es Paul gelingt, die letzten Botschaften seiner Frau zu entschlüsseln hat er einen langen Weg vor sich. Trotz der täglichen Experimente mit Lorelei und der Lektüre sämtlicher auf dem Markt verfügbaren Bücher über den Spracherwerb bei Hunden, macht Lorelei keine Fortschritte.

 

Fanatisch geworden, begibt Paul sich in die Fänge eines gewissen Wendell Hollis. Dieser Mann hat sieben Jahre lang mehr als hundert Hunde operiert, um ihrem Gaumen eine zum Sprechen besser geeignete Form zu geben. Hollis sitzt zwar inzwischen im Gefängnis, aber seine Freunde arbeiten im Verborgenen weiter. Paul nimmt Kontakt mit diesen wahnsinnigen Hundeverstümmlern auf - und kurz darauf verschwindet Lorelei.

 

Wochen später bekommt Paul seinen Hund ohne Kehlkopf zurück. Erst dann begreift der Sprachwissenschaftler, dass auch Lorelei ihm nicht bei der Bewältigung seines Schmerzes behilflich sein kann. Er erkennt, dass er all die vielen Hinweise, die ihm die Wahrheit über Lexys Tod und über ihr Leben hätten erzählen können, geflissentlich übersehen hat, um sein harmoniegeprägtes Weltbild nicht ins Wanken zu bringen. Erst in diesem Augenblick hält Paul Iverson inne – begreift sich und das Rätsel von Lexys Tod ...

 

 

Carolyn Parkhurst Debüt war unter dem Titel The Dogs of Babel einer der New-York-Times-Bestseller des Jahres 2003. Der Autorin ist es gelungen, eine vordergründig romantische Liebesgeschichte mit der spannenden Aufklärung eines rätselhaften Todesfalls zu verknüpfen. Mit psychologischem Gespür zeichnet sie das Porträt einer innerlich zutiefst verstörten Frau und eines liebevollen Professors, der letztendlich aus seinen Fehlern lernen muss, um die Wahrheit zu erkennen.

 

Die dem Roman zu Grunde liegende Idee, finde ich wahrlich gelungen: Wie viele einsame Hundebesitzer wünschen sich nichts sehnlicher, als das ihr einziger und bester Freund seine Anhänglichkeit auch sprachlich artikulieren kann? Dass der Linguist Paul als Mann, der sich nicht nur beruflich der Sprache und dem Sprechen verschrieben hat, auf schwer zu deutende Symbole und Zeichen zurückgeworfen wird, ermöglicht ihm einen neuen Blick auf seine verstorbene Frau, auf die Welt und auch auf sich selbst.

 

Das mag einer der Gründe sein, weshalb der Roman häufig mit Alice Sebolds Debüt In meinem Himmel verglichen wird. Denn auch hier kommt die Erkenntnis darüber, was das wahre Leben ist, erst mit beziehungsweise durch den Tod.

 

Auch in Deutschland wird dieser Roman vermutlich erfolgreich sein. Lesenswert ist er auf jeden Fall.

© Heide John 2004


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