E. Annie Proulx - Herzenslieder - Rezension Lettern.de E. Annie Proulx - Herzenslieder

Fischer TB Verlag
broschiert, 287 Seiten
9
,90 €
ISBN: 978-3-596-13234-8

 

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Es ist nicht das erste Buch, das ich von der kanadisch–US–amerikanischen Autorin lese. Sie hatte als Journalistin und Sachbuchautorin einen Namen, als sie im sechsten Jahrzehnt ihres Lebens Erzählungen und dann auch Romane zu schreiben begann.

Die erste Sammlung ihrer Erzählungen Heart Songs and Other Stories kam 1988 heraus. Ihr erster Roman: Postcards brachte ihr gleich den PEN/Faulkner Award ein.

In Deutschland war sie ein Tipp für Insider. Das änderte sich, als die Verfilmung ihres zweiten Romans The Shipping News, Schiffsmeldungen, in die deutschen Kinos kam. Für diesen Roman bekam E. Annie Proulx den begehrten Pulitzerpreis und den National Book Award.

Ich sah den Film und kaufte das Buch. Ihre ins Deutsche übersetzten Bücher erschienen danach in rascher Folge. Die glänzende Verfilmung der Erzählung Brokeback Mountain, die mit drei Oscars ausgezeichnet wurde, machte sie in Deutschland dann endgültig bekannt.

Die Herzenslieder, eine Sammlung von Erzählungen aus der schroffen und unfruchtbaren Welt Neuenglands, fielen mir vor zwei Jahren in die Hände, als ich die Buchregale meiner Tochter durchforstete. Ich hatte zu wenige Bücher eingepackt, als ich für vierzehn Tage in dieses kleine Dorf an der ehemaligen Grenze zur DDR fuhr, um die Katzen zu hüten.

Ich las Ein wolkenloser Tag und war sofort begeistert von der Genauigkeit, mit der E. Annie Proulx die Szenerie beschreibt. Sie erzählt einfache Geschichten, wie sie überall passieren. Aber wie sie sie erzählt und das, worauf es ankommt, fast nebenbei berichtet!
In Grundgestein wird von einem Witwer erzählt, der noch einmal heiratet, eine trostlose Geschichte. Zwei Seiten vor ihrem Ende erinnert sich der alte Mann. Da wird klar, dass er sich aus einem tiefen Schuldbewusstsein heraus nicht wehren kann.
E. Annie Proulx schreibt von eigensinnigen Käuzen, von Eigenbrötlern, von Menschen, die sich mit ihrem armseligen Leben abgefunden haben, Marotten entwickelt haben, um die herum sich Fäulnis, Verfall und Erinnerungen wie Jahresringe legen. Da ist kein Entkommen. E. Annie Proulx berichtet von einem Amerika jenseits des Big Apple und der uniformen kleinen Städte. Sie erzählt von einem Neuengland, an dessen Küste 1620 die Mayflower mit den Pilgervätern vor Anker ging, vom Indian Summer der Touristen erzählt sie nicht.
Die Hauptpersonen dieser Geschichten sind Männer, aber natürlich gibt es auch Frauen in den Leben dieser Sonderlinge, Schlampen und Töchter, Ehefrauen, die fortlaufen, die von ihren Männern verlassen werden, zu denen sie zurückkehren, wie Snipe in der Geschichte, die dieser Sammlung ihren Namen gegeben hat.

Es war leicht. Sie kam anstandslos zu ihm zurück, bereit, ihre alten Spiele zu spielen. Sie machten sich über Omars Restauranthilfen lustig, und Snipe sagte, das mit der Country-Musik funktioniere nicht. Sie könnten etwas anderes machen, vielleicht nach Westen ziehen, nach New Mexico oder Arizona. Snipe kannte jemanden, der ihm gutes Geld für das Sammeln wilder Stechapfelsamen zahlen würde.
Sie lagen zwischen den Kissen in der Ecke des Sofas, Snipes Finger glitten mechanisch an ihrem Arm auf und ab, die rauen Schwielen kratzten auf der Seide. Nach einer Weile waren Haydns präzise Takte wie verblasste Bleistiftstriche auf dünnem Papier. Die Champagnerflasche war leer. Catherine schmiegte sich leidenschaftlich an ihn, und mit dem trockenen Gefühl, den Katechismus herunterzubeten, legte er seinen offenen Mund an ihren Herzschlag. Er überlegte, wie es drüben im Westen sein würde, die flache sepiagetönte Erde und der unermessliche Himmel aus hartem einsamem Blau. Dort zogen sich die Straßen ewig bis zum Horizont. Snipe sah sich allein, wie er in einem verbeulten alten Pritschenwagen durch die flirrende Hitze fuhr, der Wind durch die offenen Fenster rauschte. In der Windschutzscheibe war ein Einschussloch. Er trug alte Cowboystiefel, ausgebleichte Jeans und ein zerrissenes schwarzes Hemd mit einem gestickten Kaktus auf dem Rücken, und mit der Handkante schlug er auf dem kaputten Lenkrad einen texanisch-mexikanischen Rhythmus. (Herzenslieder)

E. Annie Proulx verfügt über eine Magie der Worte, die Bilder beschwören, die kein Film zeigen kann. Das ist die große Kunst dieser Dichterin. Ich weiß, was ich da schreibe, denn ich versuche mich auch in dem Metier und kenne die Schwierigkeit, etwas so prägnant zu beschreiben, dass die LeserInnen in der Geschichte herumspazieren können, dass ihnen die Brombeerranken zu Fußangeln werden, sie das Mackie-Mädchen beschützen möchten und keine dieser Erzählungen von verfehlten Leben je wieder vergessen können.

© Elke Tegtmeyer 2007


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