Michael Quint - Die schrecklichen Gärten Btb
Verlag
|
In Frankreich wurde dieser kleine Roman beinahe über Nacht berühmt. Sein Autor, Michel Quint, geboren 1949, hatte bereits mehrere Romane veröffentlicht, bevor ihm mit Die schrecklichen Gärten ein fulminanter Erfolg beschieden war. Seit Monaten steht das Buch auf den französischen Bestsellerlisten. Es wurde bereits in vierzehn Sprachen übersetzt.
Und die Lektüre lohnt sich! Zwei Geschichten werden hier verknüpft: Zum einen die eines kleinen Jungen, der unendlich darunter leidet, dass sein Vater als Clown auftritt. "Mein Vater, seines Zeichens Grundschullehrer, jagte hinter jeder Gelegenheit her, und packte sie auch beim Schopf, um sich als Amateurhanswurst zu produzieren. [...] Allein bei dem Gedanken an eine Clownfratze, eine rote Perücke, bei der Aussicht auf einen Vormittag im Zirkus begannen meine Klassenkameraden, meine Schwester Francoise, alle normal veranlagten Kinder, zu kichern, zogen sich ihre Mundwinkel nach oben. Die Ekstase des Lachens überkam sie, die Lust des hemmungslosen Kreischens. Mir schnürte sich die Kehle zu, so dass ich weder eine Grammatikregel noch das Abendessen runter bekam."
Der Sohn kann das Rollenspiel seines Vaters kaum ertragen. Er hat kein Verständnis für das beinahe manische Bedürfnis seines Erzeugers, sich als dummer August zu produzieren. "Es war ihm unerträglich mit anzusehen, wie der Vater, diese tragische Figur, seine Würde verlor, um ein undankbares Publikum zu belustigen."
Erst viele, viele Jahre später erfährt er nach dem Besuch des Films "Die Brücke" von Bernhard Wicki, die unglaubliche Geschichte, die seinem Vater im Krieg widerfahren ist – und damit wird der zweite Strang eingeleitet.
Der Onkel und der Vater waren Ende 1942/Anfang '43 Mitglieder einer kleinen Widerstandsgruppe, wovon der Onkel mit folgenden Worten berichtet: "Die Résistance, damit haben wir, also ich weiß nicht, wie das bei den anderen war, aber auf jeden Fall dein Vater und ich, damit haben wir aus Jux angefangen, um was gegen diese Scheißlangeweile zu tun, wenigstens am Anfang ..."
Jedenfalls haben die beiden den Auftrag erhalten, alle Trafos im Arrondissement in die Luft zu sprengen, den sie auch prompt erfüllten. Bevor sie ihren Sieg feiern können, werden sie als Geiseln verhaftet, bis der wahre Schuldige gefasst ist. Zu viert werden sie in eine Lehmgrube gesteckt, bis der wahre Täter sich gestellt hat.
Ihr Bewacher, "ein Sumpfdepp", "ein Simpel" schaute Fratzen schneidend zu, "wie wir langsam verfaulten". Aber er unterhält die tropfnassen, frierenden Gefangenen nicht nur mit seinen Späßen, sondern gibt ihnen auch noch seine Butterbrote, Kartoffeln - und er bittet um Entschuldigung dafür, dass er "in dieser Uniform auf der Seite der Bösen steht."
Als die vier mit dem Leben davonkommen, weil eine Frau ihren - bei dem Anschlag tödlich verletzten - Mann opfert und als Täter zur Verfügung stellt, gibt sich auch der Retter zu erkennen: "Mein Name ist Bernhard Wicki, ich bin Clown."
Erst als er um diese Geschichte weiß, lernt der Sohn seinen Vater, seinen Onkel und auch die komische Tante mit neuen Augen zu betrachten und sie alle von ganzem Herzen zu akzeptieren.
Zu bemerken bleibt, dass der Roman unter dem Motto "und wie rührend ist der Granatapfel. In unseren schrecklichen Gärten" (G. Apollinaire) steht und mit dem wunderbaren Vorwort versehen wurde:
"Zur Erinnerung an meinen Großvater Lepétre, Frontsoldat bei Verdun, Bergmann, und an meinen Vater, Widerstandskämpfer, Lehrer, die mir die Erinnerung an das Grauen weitergegeben haben und mich dennoch die deutsche Sprache lernen ließen, weil sie spürten, dass Manichäismus in der Geschichte eine Dummheit ist. Und zur Erinnerung an Bernhard Wicki."
© Heide John 2004
Aktuelle Kinderbuch-Rezensionen | |
Aktuelle Rezensionen | |
Aktuelle Hörbuch-Rezensionen | |
Rezensionen von A-Z | |
Rezensionen nach Genre |
Rezensionen von lettern.de