Laura
Restrepo - Der Engel an meiner Seite Aus dem Spanischen von
Ilse Layer
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Für die Hauptperson von Laura Restrepos Roman, einer jungen Journalistin, ist ihr neuester Auftrag eine willkommene Abwechslung zur normalen Berichterstattung über Schönheitsköniginnen oder neue Super-Diäten: Irgendwo in einer kolumbianischen Vorstadt ist angeblich ein Engel aufgetaucht. Das schreit geradezu nach einer spannenden Reportage.
Die Begegnungen mit dem angeblichen Engel verändern ihr Leben jedoch auf nicht zu erwartende Weise. Es wird nicht ganz eindeutig, was den seltsamen jungen Mann, den sie findet, zum Engel macht. Handelt es sich nicht einfach um einen wunderschönen kranken Menschen, der unter seinen epileptischen Anfällen leidet, die die Ursache für sein seltsames Verhalten sind? Die Bewohner des armen Stadtviertels haben keinen Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um einen Engel handelt. Auch unsere Reporterin ist bald überzeugt, verliebt sie sich doch unsterblich in den schönen Jüngling. Da sie die einzige Person ist, die überhaupt Zugang zu ihm findet, wird sie bald wie eine Auserwählte betrachtet.
Die Handlung klingt wirr? Zu Recht, die Geschichte ist wild konstruiert und nichts ist der Autorin zu billig, kein Klischee zu ausgelutscht, um die Seiten zu füllen: Apokalyptische Unwetter, Pfarrer und Jugendgangs, die wie einst die Inquisition hinter dem falschen Engel herjagen und seinen Tod wollen; ehemalige Catcherinnen, die jetzt die Leibwache des Engels bilden, und nicht zuletzt die Hauptperson.
Es gelingt Laura Restrepo in keiner Weise, ihrer Hauptperson Leben einzuhauchen. Sie ist nicht viel mehr als ein blondes Abziehbild der halbwegs wohlhabenden Reporterin, ohne typische Charakterzüge oder charakterisierendes Verhalten. Sie ist austauschbar und eine der am schwächsten geschilderten Charaktere der letzten Monate.
Die Handlung ist wüst konstruiert und entbehrt aller Logik. "Warum das Ganze?" fragt sich der leidgeprüfte Leser. Am Ende des Buches steht nur Unverständnis. Im Endeffekt ist Der Engel an meiner Seite nicht einmal ein religiös verklärtes Rührstück, das Einzige, was Laura Restrepo aus ihrer unmöglichen Geschichte hätte machen können.
Der Versuch, mit dem Buch auch noch literarischen Ansprüchen zu genügen, macht das Buch schließlich zu einem völlig verunglückten Geschreibsel. Was einen renommierten Autoren wie Gabriel García Márquez zu solchen Begeisterungsstürmen hinreißt, wie man sie auf dem Buchcover nachlesen kann, bleibt absolut unverständlich.
© Till Weingärtner 2001
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