Sam Savage: Firmin - ein Rattenleben Ullstein Verlag
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Aus dem Leben einer wahren Leseratte
Dem Amerikaner Sam Savage ist mit seinem ersten Roman ein reizvolles Werk gelungen. Das schmale Büchlein mit dem ansprechenden Cover enthält eine ruhige Geschichte, die den Leser noch lange beschäftigt.
Firmin wird als dreizehnter, kleinster und schwächster seines Wurfs geboren, im Keller einer Buchhandlung in Boston. So muss er auf andere Nahrungsquellen ausweichen und wählt das nahe liegende: Bücher. Durch den Verzehr der Bücher lernt er auch irgendwie Lesen und entdeckt eine neue Welt, jenseits des Kellers und seiner Familie. Mit der Zeit wächst sein Wunsch, ein Mensch zu sein und dieser – in diesem Leben – unerfüllbare Wunsch macht ihn nicht gerade glücklich.
So melancholisch wie Firmin auf dem Titelbild aussieht, so erzählt er auch seine Lebensgeschichte. Firmin führt ein für eine Ratte sehr ungewöhnliches Leben. Dank seiner Fähigkeit zu Lesen reist er durch Zeit und Raum, lernt vieles kennen, das seinen Geschwistern und anderen Artgenossen fremd ist. Gleichzeitig entfernt ihn dieses Wissen auch immer mehr von ihnen und die zahlreichen Freundschaften zu seinen literarischen Vorbildern sind zwangsläufig nur einseitig.
Gespickt mit literarischen und teilweise auch cineastischen Anspielungen erzählt Firmin Episoden aus seinem Leben, lässt den Leser teilhaben an seinen philosophischen Überlegungen. Geistreich und mit einer ordentlichen Portion Galgenhumor streut Firmin immer wieder ironische Überschriften für seine aktuelle Lebenssituation ein, wie z. B. "Alkoholismus als Hoffnungsschimmer: Geschichte einer Kindheit" oder "Ein normaler Fall von Bibliobulimie".
Firmin merkt nicht, wie außergewöhnlich und erfüllt sein Leben eigentlich ist, weil sein größter Wunsch unerfüllbar ist: Er wäre so gerne ein Mensch und weiß doch, dass er äußerlich eine Ratte ist, "Ungeziefer", wie er selbst sagt. Sowohl in seiner Welt als auch in der Welt der Menschen ist er immer ein Außenseiter, der versucht das Beste aus seinem Leben zu machen.
Besonders gut gefiel mir, dass die Erstauflage im so genannten "Rough Cut" gestaltet war und das Buch so wirkte, als hätte Firmin persönlich es angenagt. In meiner 6. Auflage sind die Seiten leider glatt geschnitten und die zauberhaften Illustrationen der englischsprachigen Ausgabe fehlen auch.
Ein Buch, dass ich schon mehrmals weiterempfohlen habe und das meine Wunschliste hat wachsen lassen – dank Firmins vieler verborgener Leseempfehlungen.
© Monika Stache 2009
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