Samanta Schweblin: Die Wahrheit über die Zukunft - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Samanta Schweblin: Die Wahrheit über die Zukunft

Suhrkamp Verlag
Hardcover
, 130 Seiten
19
,80 €
ISBN: 3-518-42142-5

 

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In dem schmalen Erzählungsband "Die Wahrheit über die Zukunft" schildert die junge argentinische Autorin Samanta Schweblin Begebenheiten, die alle an einer Grenze liegen. Seien es die psychischen Grenzen der Protagonisten, die Grenze zwischen Wahn und Vernunft oder die Genregrenzen zwischen Realismus und Fantastik.

Dabei beherrscht Schweblin es meisterhaft, den Leser mit ihren sachlichen, kurzen Sätzen gefangen zu nehmen und ihn häufig erst mit den letzten meist schockierenden Sätzen einer Erzählung in die Freiheit zu entlassen (wie in "Konserven"). Die Sprache dient ihr dabei nie als Selbstzweck, sondern als Mittel die Story voran zu bringen. So geraten Erzählungen wie "Schmetterlinge" zu kleinen kunstvollen Kabinettstückchen. Mehr wäre viel zu viel geworden. So sind die drei Seiten genau passend. Ebenso wie in der Erzählung "Letzte Runde" genügen ihr drei Seiten, um den Leser komplett in eine andere Bewusstseinsform zu versetzen und ihn zum Ende sehr nachdenklich werden zu lassen. "Unter Erde" hat zwar eine gute zugrunde liegende Idee, ist aber im Vergleich zu den anderen sehr konventionell strukturiert und zitiert dabei die klassische englische Gruselstory. Auch "Einen Hund töten" merkt man ganz leicht Genrekonventionen an. Aber der Großteil der Geschichten kann sich der überraschenden Wendungen sicher sein und erfüllen den Leser mit leisem Unbehagen (wie in "Das Maß der Dinge", "Die Raserei der Pest").

Generell führt die Autorin den Leser auf einen schmalen Grat und droht ihn runter zu schubsen, was dem Band aber sehr gut bekommt. Der Leser kann sich nie sicher sein, was wirklich passiert, was der Gegenstand ist (wie "In der Steppe") und was die Charaktere ausmacht ("Der Gräber", "Irman").

Die hohe Kunst der Kurzgeschichte besteht in den Auslassungen. Nicht nur was die Formel des offenen Anfangs und des offenen Endes betrifft, sondern auch was die sprachlichen Dimensionen betrifft. Und das beherrscht Samanta Schweblin meisterhaft. Einige der besten Kurzgeschichten, die in letzter Zeit geschrieben wurden, warten hier auf ihre Entdeckung.

Ein Erzählungsband, in dem keine einzige Geschichte schlecht ist. Kurz, präzise, überraschend, schockierend und geheimnisvoll entführt Samanta Schweblin den Leser in eine andere Welt.

© Jons Marek Schiemann 2010


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