Joann Sfar, Emmanuel Guibert: Die Tochter des Professors - Rezension Literaturmagazin Lettern.de Joann Sfar, Emmanuel Guibert: Die Tochter des Professors

Bocola Verlag
Übersetzung: Barbara Propach
Hardcover, 64 Seiten
14
,90 €
ISBN: 3-939-62532-9
 

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Mumifizierte Liebe

Der Bocola Verlag startet mit der Veröffentlichung von franko-belgischen Comics. "Die Tochter des Professors" von den Comicveteranen Sfar und Guibert erscheint erstmals in deutscher Übersetzung und liefert eine herrliche Parodie auf die Mumienfilme.

Miss Liliane ist die junge Tochter eines bekannten englischen Archäologen, der die Mumie von Imhotep IV. entdeckt hatte. Nun ist diese Mumie wieder zum Leben erwacht und verliebt sich in die junge englische Dame. Das bringt natürlich einige Probleme mit sich. Nicht nur der Professor ist dagegen. Durch ein Versehen mit einer Zutat zum Tee ist auch die englische Polizei und das britische Museum an den beiden interessiert. Zu allem Überfluss taucht auch noch der Vater des antiken Pharaos auf. Und die beiden Mumien haben einen jahrtausendealten Konflikt zu bereinigen.

In dieser in sich abgeschlossenen Graphic Novel wird das klassische Thema aller Mumienhorrorfilme und Abenteuer persifliert: die ewige Liebe. Sei es in dem klassischen Streifen "The Mummy" (1932) mit Boris Karloff und deren Nachfolgern oder die immens erfolgreichen Remakes der letzten Jahre, eines bleibt immer gleich: die wiedererwachte Mumie verliebt sich in die junge hübsche Heldin, welche eine Reinkarnation der alten Geliebten ist. Die Frau wird entführt und mit viel Action wird sie befreit und der jahrtausendealte Lüstling besiegt.

Dieses Hauptthema wird in der vorliegenden Graphic Novel aufgegriffen und herrlich veralbert. Hier kann man sehen, wie es ist, wenn man mit der Liebe zur Archäologie zu weit geht. Dabei wird der Witz niemals zotig, sondern besticht vor allem durch seine Situationskomik. Das Sub-Thema der Vater-Kind-Probleme wird auf zwei Ebenen als Selbstfindungsprozess geschildert. Zum einen wäre da die Tochter, die sich emanzipiert und da der Pharao, der immer noch im Schatten seines dominanten Vaters steht. Wer die geniale Serie Die Katze des Rabbiners kennt, weiß, dass Sfar es mühelos gelingt, anspruchsvolle, gar philosophische, Themen leichtfüßig und mit großem Humor umzusetzen. Guiberts Zeichnungen haben einen sehr reduzierten Strich, der häufig die Hintergründe auslässt. Da er aber eine Aquarelltechnik benutzt, sind die Bilder sehr stimmungsvoll und atmen den Geist der viktorianischen Epoche. Es ist auch von der Struktur sehr geschickt gelöst, dass der Leser direkt in die Handlung hineingeworfen wird und so keine, meist fadenscheinige, Erklärungen geliefert werden müssen, warum die Mumie lebt. Es wird einfach akzeptiert. Und das fällt leicht, da von der ersten Seite an der Band charmant, beschwingt und voller Humor daherkommt. Irrwitzige Situationskomik paart sich mit Motiven der klassischen Kolportagegeschichte und liefert so eine der gelungensten Parodien, die jemals geschaffen wurden.

Lustig, charmant, einfach herrlich. Einfach zugreifen und genießen.

© Jons Marek Schiemann 2011


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