Antonio Tabucchi - Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro - Rezension Lettern.de Antonio Tabucchi - Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro

dtv
Taschenbuch,
250 Seiten
9,00 €
ISBN 3-423-12671-X

 

Dieses Buch neu bestellen  <- gebraucht suchen  


In der Nacht vom 24. Mai 1996 wird die Leiche des jungen Portugiesen Damasceno Monteiro ohne Kopf in einem Parkstück der Stadt Porto aufgefunden. Der junge Journalist Firmino, der für eine Boulevardzeitung aus Lissabon arbeitet, wird auf den Fall angesetzt, obwohl er sich viel lieber mit Aspekten der modernen portugiesischen Literatur beschäftigen würde.

In der Stadt Porto, die Firmino zunächst wenig schätzt, findet Firmino viele Verbündete, zunächst Dona Rosa, die Besitzerin einer kleinen Pension, die Firminos Nachforschungen durch ihre verworrenen Kontakte in die richtigen Bahnen zu lenken weiß.

Im Laufe seiner Nachforschungen stößt Firmino auf grausame Wahrheiten: Ein hoher Polizeibeamter scheint in den Mordfall verwickelt; um gegen ihn zu bestehen, braucht Firmino einen weiteren Verbündeten, der sich im Anwalt Don Fernando wieder findet, einer eigentümlichen Mischung aus dem Schauspieler Charles Laughton und dem von Orson Welles verkörperten Anwalt aus Kafkas Prozess, einem exzentrischen, stets philosophierenden und vor allem fetten Zeitgenossen. Tatsächlich gelingt es den beiden am Ende, den Polizeibeamten vor Gericht zu stellen.

Tabucchi möchte mit seinem Roman eine weite Zielgruppe ansprechen: Für die Freunde des gepflegten Kriminalromans findet sich ebenso etwas, wie für Anhänger philosophischer Gespräche, in die Firmino vom Anwalt Don Fernando immer wieder verwickelt wird. Der Kriminalroman-Anteil ist allerdings der deutlich bessere Anteil. Die Nachforschungen Firminos lesen sich flüssig und logisch, der Kriminalfall ist gut durchschaubar und wirkt durchaus realistisch, was das eher unbefriedigende Ende mit einschließt.

Die philosophischen Aspekte des Romans sind leider weniger gut gelungen. An vielen Stellen ist das Bemühen des Autors zu spüren, einen besonders geistvollen Dialog einzubauen oder moralische Weisheiten zu verkünden. Diese Passagen sind nur teilweise gelungen. So ist der Charakter des Don Fernando nur wenig glaubhaft. Er mutet unrealistisch an, was wohl auch Tabucchi selber aufgefallen ist. Anders ist die, durchaus putzig anmutende Stelle, in der der Anwalt seinen Gegenüber ermahnt, er solle ihn nicht für eine kafkaeske Persönlichkeit halten, zu deuten. Leider ist Don Fernando nur anzumerken, dass er kafkaesk werden sollte, er ist es nicht. Er wird zur Karikatur des intelligenten aber auch desillusionierten Anwaltes.

Die rechtsphilosophischen Dialoge zwischen Anwalt und Journalist passen durchaus gut in den Zusammenhang, halten die sonst so flüssig ablaufende Handlung jedoch unnötig auf. Um den Leser wirklich in ihren Bann zu schlagen, hätten sie glaubhafter platziert und ausführlicher gestaltet werden müssen.

Auch der moralische Zeigefinger wirkt abgedroschen. Das Motiv des ungesühnten Mordes vom Arm des Gesetzes ist ein altbekanntes, Tabucchi gelingt es nicht, ihm neues Leben einzuhauchen oder neue Gesichtspunkte aufzuwerfen. Zumal auch fraglich erscheint, warum sich ein italienischer Autor mit portugiesischen Problemen der Polizei-Willkür beschäftigt.

Trotz aller Kritik sei noch einmal auf die positiven Seiten des Romans verwiesen: Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro ist spannend und unterhaltend, an vielen Stellen sogar bissig ironisch. Dem Autor gelingt es vorzüglich, die Atmosphäre Portos einzufangen: Die kleinen Restaurants, die vergammelten Wohnstätten der Zigeuner, die historischen Gassen - beim Lesen fühlt man sich an diese Orte versetzt und kann die Gefühle, die sie in den handelnden Personen erwecken, gut nachempfinden.

Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro ist ein spannender Kriminalroman, dem etwas Zurückhaltung seitens des Autors in genannten Aspekten gut getan hätte, der sich aber wunderbar liest und dem Leser viele vergnügliche und unterhaltsame Stunden beschert.

© Till Weingärtner 2001


Aktuelle Kinderbuch-Rezensionen
Aktuelle Rezensionen
Aktuelle Hörbuch-Rezensionen
Rezensionen von A-Z
Rezensionen nach Genre

Rezensionen von lettern.de