Sándor Tar - Die graue Taube

Aus dem Ungarischen von Krisztina Koenen 
Eichborn 
304 Seiten 
8,50 € 
ISBN 3-8218-0467-X

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In einer kleinen Provinzstadt in Ungarn geschehen gruselige Dinge: Die Menschen sterben wie die Fliegen, offensichtlich an einer unbekannten Epidemie, bei der man plötzlich Unmengen an Blut verliert und qualvoll zu Grunde geht. Doch bald ahnt die Polizei, dass mehr hinter den seltsamen Todesfällen steckt und nimmt die Ermittlungen auf, bei denen sie in ein Netzwerk aus Lügen und perversen Verbrechen stößt.

Sándor Tar setzt seinen Leser von der ersten Seite mit einem gruseligen Szenario gefangen. Anfangs reihen sich erschreckende Szenen scheinbar zusammenhanglos aneinander. Hier wird dem Leser große Aufmerksamkeit abverlangt, denn keine Szene ist in diesem Buch ohne Bedeutung, alles fügt sich, wenn auch spät, in ein kunstvolles Mosaik ein.

Sándor Tars Hauptpersonen, die Polizisten der Sondereinsatztruppe und schmierige Verbrecher, entsprechen allesamt dem Klischee, das wohl in Ungarn vorherrscht. Bei ihrer dunklen Vergangenheit in den Geheimpolizei-Einheiten zu Zeiten der Diktatur, sind die Methoden oft noch ziemlich brutal, die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen schnell. Doch diese Klischees sind wohl bewusst gewählt, Tar beweist sein schreiberisches Geschick durch ganz andere Vorzüge.

Neben der bereits erwähnten wunderbar schaurigen Atmosphäre, bedient er sich verschiedener Symbole, wie z. B. die Taube, die allgegenwärtig den Schrecken schürt und in Verbindung zu den Verbrechen zu stehen scheint. Ein Zusammenhang zu populären Vorbildern wie Hitchcock drängt sich an solchen Stellen natürlich auf, und tatsächlich vermag Sándor Tars Roman auf ähnliche Weise zu fassen.

Am Ende ist einem vielleicht nicht alles klar. Die Strukturen des Romans sind sehr vielschichtig und kompliziert, wenn man nicht aufmerksam liest, verliert man sich hoffnungslos in einem Netzwerk aus Angst und Verbrechen. Doch wer bereit ist, die Herausforderung dieses anspruchsvollen Romans anzunehmen, wird mit spannendem Lesespaß belohnt.

© Till Weingärtner 2000


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