Ernst Toller
Am 22.5.1939 erhängt sich im New Yorker Hotel ein Mann, der die Zustände in seiner Heimat nicht mehr ertragen konnte: Der Schriftsteller Ernst Toller.
Ernst Toller wurde am 1.12.1893 als Sohn jüdischer Kaufleute geboren. Sein Jura-Studium endete, als der Erste Weltkrieg begann, an dem er als Freiwilliger teilnahm.
Die Gewalt, die Menschen sich gegenseitig antun, sollte Toller von nun an ein Graus sein. Während des Ersten Weltkrieges versuchte er den Prominenten Dramatiker Gerhard Hauptmann zu bewegen, seinen Einfluss für den Frieden geltend zu machen - vergebens. Wegen einer schweren Verwundung wird Toller frühzeitig aus dem Militärdienst entlassen und macht bald darauf die Bekanntschaft des Führers der unabhängigen Sozialdemokraten Kurt Eisner. Kurt Eisner hatte schon früh vor dem Verhängnis eines Krieges gewarnt. Erst jetzt, wo die Zeiten für Deutschland schlecht stehen findet er Gehör. Ernst Toller schließt sich ihm an. Pazifismus ist das Wort der Stunde.
In den Revolutionswirren nimmt Ernst Toller aktiv teil, wird inhaftiert, kommt zunächst jedoch wieder frei. An der Münchner Räterepublik nimmt er als einer ihrer Führer teil, nach ihrer Niederschlagung wird er zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.
Während dieser Festungshaft gelingt es Toller, zum wichtigsten Dramatiker der Weimarer Republik zu werden. Bereits ein halbes Jahr nach seiner Inhaftierung wird ihm, wegen des großen Erfolges seines Erstlingswerkes Die Wandlung, die Begnadigung angeboten, die Toller jedoch ablehnt, da er den anderen Gefangenen gegenüber nicht bevorzugt werden möchte. Während der Haftzeit entstehen weitere Dramen, wie Die Maschinenstürmer oder Hinkemann.
Tollers Werke werden sowohl von der rechten als auch von der linken Presse hart attackiert. Die rechte Presse sieht in Toller einen Kulturbolschewisten, während der linken Presse die Darstellung der sozialistischen Helden in Tollers Dramen nicht positiv genug erscheint. Angepöbelt von links und rechts wird Toller jedoch lange vor Brecht der große Mann des politischen Theaters.
Schon im zweiten Gefängnisjahr sieht Toller die Gefahr, die von Adolf Hitler ausgeht. Er schreibt: "Um den Mann Adolf Hitler scharen sich unzufriedene Kleinbürger, frühere Offiziere, antisemitische Studenten und entlassene Beamten. Sein Programm ist primitiv und einfältig. Die Marxisten und Juden sind die inneren Feinde und an allem Unglück schuld, sie haben das unbesiegte Deutschland hinterrücks gemeuchelt und dann dem Volk eingeredet, Deutschland hätte den Krieg verloren. Hitler stachelt das Volk zu wütendem Nationalismus auf." In seiner Komödie Der entfesselte Wotan gelingt es Toller bereit 1923 in der Figur eines besessenen Friseurs die Karriere Adolf Hitlers mit einer Genauigkeit vorherzusagen, als wäre das Stück erst 1945 entstanden.
Am 15. Juli 1924 wird Toller aus der Haft entlassen. Er ist 30 Jahre alt, aber bereits ein gezeichneter Mann mit grauen Haaren. Und er ist ein weltberühmter Autor, seine Bücher wurden in mehr als 25 Sprachen übersetzt.
Kurz darauf wird Toller von der Frau eines Kaufhausbesitzers eine Villa zur Verfügung gestellt, die Toller mit seinem Freund, dem Schriftsteller Walter Hasenclever, einige Jahre bewohnt. In dieser Zeit spielt er der feinen Gesellschaft Berlins einen bösen Streich. Hansenclever und Toller laden die feine Gesellschaft zur großen Party im festlichen Ambiente ein. Alles, was Rang und Namen hat, erscheint. Man isst, man trinkt. Und plötzlich ist das Chaos perfekt. Über hundert Partygäste müssen auf einmal auf die Toilette, aber nur drei davon stehen zur Verfügung. Toller und Hasenclever hatten ihren Gästen Abführmittel unter das Essen gemischt. Die Folgen sind katastrophal. Ganz Berlin zerreißt sich in den nächsten Tagen das Maul über die peinlichen Erlebnisse der feinen Gesellschaft.
Tollers Prophezeiung von der Machtübernahme der Nazis tritt ein. Einer Verhaftung entgeht Toller nur durch Glück, sein Exil führt ihn schließlich in die USA. Nun versucht Toller die Weltöffentlichkeit von der Gefahr, die von Nazi-Deutschland ausgeht, zu überzeugen, findet aber nur wenig Gehör. Toller nutzt seine Bekanntheit, um sich in verschiedenen Ländern für Deutsche Flüchtlinge einzusetzen. Er verhandelt mit Ministerien um Arbeitserlaubnisse zu beschaffen. Während des Spanischen Bürgerkriegs leitet er eine große Hilfsaktion, um das Leid der Zivilbevölkerung zu mindern.
Der Sieg Francos war für Toller vermutlich der letzte Schlag, der ihn schließlich völlig zerstörte. Als man ihn tot entdeckt, sieht man auch die Fotos von abgemagerten spanischen Kindern, die Toller auf seinem Schreibtisch ausgebreitet hat.
© Till Weingärtner
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