Marion Zimmer Bradley



© Foto: Volker Hinz, privat

Marion Zimmer Bradley mit Hilke Rosenboom in ihrem Arbeitszimmer in Berkeley, CA/USA (1987)

3. Juni 1930 in Albany, NY/USA -
25. September 1999 Berkeley, CA/USA
am 13. Oktober 1999 beerdigt

Ihre wichtigsten Werke:
Darkover-Saga 
Die Nebel von Avalon 
Das Licht von Atlantis
Tochter der Nacht
Die Feuer von Troia

Das Schwert der Amazone


Nachruf auf die berühmteste Autorin der Fantasy-Literatur

Millionen von Lesern ihrer Bücher haben es erschüttert in den Zeitungen verspätet gelesen, da die Familie von Marion Zimmer Bradley ihren Tod einige Tage geheim gehalten hatte, dass die große Autorin der Fantasy-Literatur am 25. September 1999 nach einem Herzinfarkt, der sie am 21.9. niederstreckte, im Alta Bates Medical Center in Berkeley, gestorben ist. Die New York Times brachte die Meldung Ende September; hier in Deutschland kam diese Nachricht allerdings erst fast vier Wochen später in die Presse.

Die Bücher der weltberühmten Autorin wurden in vielen Sprachen verschlungen; die LeserInnen haben mitgelitten beim Untergang der Alten Welt und dem Aufgang des Christentums in der Arthus-Sage in ihrem Erfolgsroman Die Nebel von Avalon, den Kampf der guten gegen die bösen Mächte in Das Licht von Atlantis verfolgt oder mit Kassandra in Die Feuer von Troia den Untergang der Stadt und des troianischen Reiches miterlebt, der von der Seherin Kassandra vorausgeahnt wurde, deren Prophezeiungen aber keiner Glauben schenkte. Mit dem Buch Tochter der Nacht entstand die Nacherzählung von Mozarts Zauberflöte, da die Autorin ein großer Opernfan war und sie diese Geschichte sehr begeisterte.

Ich bin sehr traurig darüber, dass wir von ihr keine neuen Märchen der Fantasie mehr lesen werden, allerdings haben wir für Euch etwas Besonderes ausfindig gemacht, nämlich ein Portrait-Interview, dass die heutige Autorin und damalige Stern-Reporterin Hilke Rosenboom mit Marion Zimmer Bradley 1987 in Berkeley geführt hat und das wir auf der lettern.de zur Verfügung gestellt bekommen haben. Es ist das einzige Mal, dass Marion Zimmer Bradley einem solchen Interview zugestimmt hat und wir sind sehr stolz darauf, es hier auf der Seite veröffentlichen zu dürfen.

Natürlich haben wir Hilke auch ein bisschen gelöchert und Ihr könnt gespannt darauf sein, was sie euch zu Marion Zimmer Bradley erzählen kann und wie es überhaupt zu diesem besonderen Interview gekommen ist:

lettern.de.: Hilke, du hast 1987, als junge Redakteurin, die Gelegenheit gehabt Marion Zimmer Bradley persönlich kennen zu lernen und bist sogar in ihrem Haus im kalifornischen Berkeley gewesen, in dem sie all die zauberhaften Romane geschrieben hat, und in das sie sonst niemals einen Fremden hineingelassen hat. Was glaubst du, warum du sie damals besuchen durftest?

Hilke Rosenboom: Weil ich sie über Monate hinweg mit Briefen genervt habe. Ich wollte sie unbedingt kennen lernen und über sie schreiben. Aber das war mir nicht nur in meiner Funktion als Reporterin wichtig, sondern auch für mich ganz persönlich. Ich denke mal, dass sie mir das irgendwann einfach geglaubt hat.

lettern.de.: Wie hast du das für dich damals empfunden, bei so einer großen Schriftstellerin zu sein, sie interviewen zu dürfen?

Hilke Rosenboom: Marion Zimmer Bradley hat es mir sehr leicht gemacht. Sie ist mit mir ganz natürlich umgegangen, und ich mit ihr, so als ob ich vielleicht irgendeine Freundin von einer ihrer Töchter sei. Nach drei Minuten hatte ich das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Das lag vielleicht auch daran, dass sie einen fast in jedem Satz mit Vornamen anredete, selber irrsinnig viele Fragen stellte und mich dauernd am Arm packte.

lettern.de.: Bist du da nicht in ein Traumland hinein geraten? Wusstest du, wohin die Reise geht?

Hilke Rosenboom: Das Traumland war eher ein Alptraumland, ein ungeheures Chaos in ihrem Haus. Überall türmten sich Bücher, Schachteln, ausgelesene Zeitschriften und Kartons, es war schummrig und muffelig, und auf dem Sofa lungerte ein halbes Dutzend genervter Teenager und starrte auf den Fernseher. Dagegen war es in ihrem Schreibkeller fast gemütlich.

lettern.de.: Hattest du das Gefühl, das Haus, die Umgebung, war ihr Zuhause oder eher, wie man es bei vielen Schriftstellern findet, ein Ort, wo man Informationen sammelt und der immer etwas chaotisch aussieht?

Hilke Rosenboom: Irgendwie glaubt man ja immer, dass es in einem Schriftstellerhaushalt so romantisch aussehen muss wie im Hemingway-Museum in Key West oder im Schreibturm von Victoria Sackville-West in Südengland. Und auch heute noch inszenieren sich ja viele Autoren so, als wollten sie mit ihren Arbeitszimmern dringend in "Architektur und Wohnen" abgebildet werden.

Bei Marion Zimmer Bradley dagegen sah es eher aus, als klammere sich eine kinderreiche alte Frau so grade eben noch an den Rand der Gesellschaft. Der ganze Kram, der in ihrem Haus herumflog, wirkte kein bisschen genialisch. Eigentlich war es dort einfach nur furchtbar. Ich erinnere mich, dass ich zwischendurch den Gedanken hatte, in diesem Haus würde der Öffentlichkeit, die ich ja in diesem Moment darstellte, eine Art von Familienleben vorgeführt, das bei vielen ihrer Leser bestimmt einen gewissen Wiedererkennungseffekt gehabt hätte: einfachste Verhältnisse, weit weit unten.

Man weiß ja, dass speziell Fantasy-Literatur gerne von weniger gebildeten, eher einkommensschwachen Lesern bevorzugt wird. Das wäre dann eine Verschwisterung mit den Lesern gewesen, das Gegenteil von Starkult. So etwas Verrücktes hätte ich ihr durchaus zugetraut; den damit zusammenhängenden Aufwand allerdings nicht.

Aber der Beweis, dass Marion Zimmer Bradley wirklich in diesem Haus lebte, war ihr Blumengarten, um den sie sich auch selbst kümmerte. Der war wirklich wunderschön, und als sie ihn mir zeigte, spürte man deutlich, dass sie jede einzelne Pflanze liebevoll und ziemlich pingelig betreute. Vielleicht hatte sie einfach eine andere Art, mit ihrem Zuhause umzugehen. Unkrautjäten statt Staubsaugen. Ich hatte dann den Eindruck, dass sie den vielen Menschen, die in ihrem Haushalt lebten, die Innenräume komplett übergeben hatte, bis auf ihren Schreibkeller.

lettern.de.: Privat scheint Marion Zimmer Bradley in ihrem Leben nicht so viel Glück gehabt zu haben; zwei Scheidungen, aber jede Menge Kinder adoptiert. Was war sie für eine Frau, nach deinem Eindruck? Hat sie sich in die Literatur, in das Schreiben geflüchtet, aus Frust? Wie ist sie überhaupt zum Schreiben gekommen?

Hilke Rosenboom: Die Legenden, die Schriftsteller über sich erzählen sind meistens mehr oder weniger weit von der Wahrheit entfernt. Das hängt damit zusammen, dass ein Schriftsteller immer die bessere Geschichte bevorzugt und dass viele es nicht ertragen können, wenn sich in ihrer Biographie ein Text ohne Pointe befindet.

Marion Zimmer Bradley hat mir erzählt, dass sie in die Literatur geflüchtet sei, weil sie das Leben mit ihrem Mann sonst nicht mehr ertragen hätte. Und dass sie sich die Bücher geschrieben habe, die es bis dahin nicht gab, die sie aber selber gern gelesen hätte. Das erinnert natürlich an den berühmten Ausspruch von Oscar Wilde, der ja auch das bisschen Literatur, das er brauche, selber schrieb.

Mit diesem Schlüssel, Schreibenmüssen als Ausweg, legt Marion Zimmer Bradley für sich selber fest, was sich bei ihren Lesern spiegelt: Lesenmüssen als Ausweg. Eskapismus also auf beiden Seiten. Ich finde diese Erklärung sehr schön und sie passt perfekt.

lettern.de.: Was zeigt sie dir da auf dem Bild, sieht irgendwie nach Musical oder Oper aus, der Prospekt, den sie in Händen hält?

Hilke Rosenboom: Ich erinnere mich, dass sie sich für Opern interessierte. Sie mochte lieber hören als selber lesen, ich glaube das hing mit ihren Augen zusammen, die wohl nicht mehr sehr gut waren. Sie sagte, dass sie auch beim Schreiben Musik höre.

lettern.de.: Glaubst du, sie hatte einen Sechsten Sinn oder ein zweites Gesicht? Sie musste sich für ihre Romane doch in die alte Mythologie, in die alte Zeit einleben. Woher nahm sie das alles - nur aus dem Nachlesen in alten Büchern?

Hilke Rosenboom: Sie war eine ganz besondere Persönlichkeit. Sie hatte so eine Art, einen durchdringend und weich zugleich anzusehen. Und bestimmt hatte sie auch so etwas wie einen Sechsten Sinn, wie alle großen Schriftsteller, wenn man Einfühlungsvermögen als zusätzlichen Sinn ansieht.

lettern.de.: Was hast du für dich von diesem Besuch mitgenommen?

Hilke Rosenboom: Etwas ganz Tolles, etwas, das mich viele Jahre sehr optimistisch für mein eigenes Leben machte, wenn ich daran dachte: Es war die Information, dass man zur Not auch unter widrigsten psychischen und materiellen Bedingungen Bücher schreiben kann. Das ist natürlich Quatsch, aber das wusste ich lange Zeit nicht. Und als ich es endlich bemerkte, hatte ich mich selber soweit stabilisiert, dass ich der Wahrheit ins Gesicht sehen konnte.

lettern.de.: Hilke, das ist ein sehr schönes Schlusswort, das auch jedem Schriftsteller und Autor Mut machen kann, in der heutigen Literatur-Situation.

Ich danke dir für das interessante Interview, dass du uns gegeben hast, über eine der größten Schriftstellerinnen der Fantasie-Literatur unserer Zeit. Dir wünsche ich mit deinen eigenen Büchern, die ich mit großem Interesse gelesen habe, viel Glück und bin schon sehr gespannt auf dein neuestes Werk Wirf mich ins Meer zurück, das im Februar 2000 erscheinen wird.

© Gabriele Thlon 17.01.2000


Portrait-Interview MZB 1987
Hilke Rosenboom
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