Interview mit
Heide John
Die Kölner Autorin Heide John hält Düsseldorfer Jugend unter Spannung
Lettern: Liebe Heide, nach einigen - mittlerweile kann man sagen: jahrelangen - Anläufen, haben wir es in diesem Jahr endlich geschafft, uns persönlich zu treffen. Hier auf dem Bücherbummel präsentiert der Droste Verlag dein 2. Buch der Kinderbuch-Serie: 4D - Fahrerflucht in Derendorf. Mich hat es ja sehr zum Schmunzeln gereizt, als du mir letztes Jahr erzählt hast, dass du, als gebürtige Kölnerin, momentan Kinderbücher schreibst, die in Düsseldorf spielen. Wie ist es zu diesem kuriosen Umstand gekommen? Und ganz wichtig: Wann erscheint der 3. Band?
Heide John: Eigentlich war es ein
Zufall. Im Verlauf eines Interviews für eine Kölner Zeitung hat mir der
Journalist den Droste-Verlag ans Herz gelegt. Und dieser renommierte
Verlag, der 2008 übrigens sein 75-jähriges Bestehen feiern konnte, fand
meine Idee, eine Kinderkrimireihe ins Leben zu rufen, gut. Natürlich
sollten Ben, Charlotte, Pia und Levin waschechte Düsseldorfer sein - und
selbstredend sind sie auch in dieser Stadt kriminalistisch tätig. Für
mich war es eine gute Gelegenheit, die Landeshauptstadt besser kennen zu
lernen, denn die vier streifen durch diverse Viertel, Straßen, Parks und
Geschäfte, wobei natürlich auch das Lokalkolorit nicht zu kurz kommt.
Lettern: Liest dein Sohn die fertigen Texte zu den Kinderbüchern, quasi als Testleser, oder muss er warten bis sie gedruckt sind? Wer sieht sonst die Manuskripte, bevor du sie bei den Verlagen einreichst? Hast Du einen persönlichen Kritiker? Heide John: Die Korrekturfahne meines allerersten Kinderkrimis "Außer Kontrolle" aus der Reihe Ki.Ka.Krimi.de hat mein Sohn in einem Haus in Brouwershaven (NL) gelesen. Er saß in einem großen Ohrensessel, der auf einer Empore direkt am Fenster zur Dorfstraße steht, las Blatt für Blatt und legte es anschließend ordentlich zur Seite. Fahnen zu lesen, ist wenig komfortabel, das gilt erst recht für einen Neunjährigen. Inzwischen ist er auf dem Fantasytrip und findet Eragon cooler als die Bücher seiner Mutter. Nichtsdestotrotz freut er sich über jede Veröffentlichung und gehört stets zu meinen Erstlesern. Aber wenn ich mich richtig erinnere, hat er nur dieses eine Buch vor der Drucklegung gelesen. Aber sobald meine Autorenexemplare eingetroffen sind, schnappt er sich ein Exemplar und ist in den nächsten Stunden nicht ansprechbar. Weitere Erstleser – und Erstkritiker – der gedruckten Romane, sind meine vier Patenkinder. Grundsätzlich trenne ich fein säuberlich zwischen Beruf und Privatleben und gebe meine Texte nicht aus der Hand, bevor sie fertig sind. Es gibt also keine "persönlichen Kritiker". Lettern: Im Zuge der Recherche über dich, habe ich auch deine beiden belletristischen Romane gelesen (Und wer küsst mich?/Ein Herz für Männer). Ich fand beide Bücher sehr gut, die verlagsseitig ausgesuchten Titel allerdings weniger gelungen. Du hast einen lockeren Schreibstil, der in intelligenter humorvoller Weise begeistert. Bei manchen Szenen habe ich lauthals loslachen müssen. Du hast ein feines Gespür für Menschen und Situationen. Aus welchen Ideen heraus sind deine beiden ersten Romane entstanden? Heide John: Danke für das Lob! Die ersten dreißig Seiten von "Und wer küsst mich?" (ich gebe es unumwunden zu: Ich mag den Titel auch nicht) habe ich in Frankreich geschrieben. Vier Verlagen habe ich sie im Anschluss an diese Reise angeboten – und Blanvalet hat sie gekauft. Das war eine sehr komfortable Situation; mit dem Vorschuss ließ es sich leicht weiterschreiben. Heutzutage fordern die Lektoren vor Vertragsabschluss zunehmend häufiger den kompletten Roman ein. "Ein Herz für Männer" habe ich wenige Wochen nach dem Erscheinen meines Erstlings geschrieben. Hier lag es mir am Herzen, verschiedene Menschentypen zu schildern, die der Zufall unter das Dach eines (Kölner) Wohnhauses geführt hat. Lettern: Du hast ja nicht nur die beiden Bücher geschrieben. Wenn ich mir deine Bibliographie ansehe, bist du sehr vielschichtig tätig: Belletristische Erwachsenenromane, Kinderbücher, Serienbücher für die Fernsehkultserie: Hinter Gittern (die mittlerweile ja eingestellt ist), Drehbücher für die Gerichtsserien: Barbara Salesch und Jugendgericht. Vorher warst du an der Uni wissenschaftlich tätig, und hast auch für Funk und Fernsehen gearbeitet, u. a. mit Thomas Ohrner, Jürgen von der Lippe und Hape Kerkeling. Ein recht breites Spektrum. Was dürfen wir von dir als Nächstes erwarten? Heide John: Ich mag Herausforderungen und in gewisser Weise auch den Wechsel. Zwei Aspekten bin ich jedoch stets treu geblieben: Alle meine Tätigkeiten haben und hatten mit Menschen und mit Schreiben zu tun. Wobei die Menschen in diesem Fall natürlich auch erfundene Personen sein dürfen/durften. Solange diese beiden Voraussetzungen gegeben sind, bin ich für alles offen. Lettern: Wie hat es bei dir mit dem Schreiben angefangen? Wie hat sich später der Wunsch verfestigt, Schriftstellerin zu werden? Was haben deine Eltern damals gesagt, als du ihnen das erzählt hast?
Heide John: Ich habe schon als Kind
sehr viel und gerne gelesen. Die maximal fünfzig Kinder- und
Jugendbücher unserer Vorstadtbibliothek hatte ich schnell ausgelesen –
und so bin ich mehr oder minder notgedrungen dazu übergegangen, die
Bücher meiner sechs Jahre älteren Schwester und die meiner zehn Jahre
älteren Tante zu lesen. Irgendwie hatte ich immer zu wenig Lesestoff, so
dass ich aufgrund dieser "Lesenot" manche Romane acht bis zehn Mal
gelesen habe und bis heute alles Gedruckte lese, was mir unter die Augen
kommt – und sei es der Aufdruck auf der Shampooflasche. Lettern: Welche Autoren magst du? Hast du Vorbilder beim Schreiben?
Heide John: Ich mag sehr viele Autoren
und kann mich diesbezüglich wirklich nicht festlegen. Zu den Romanen,
die lange Zeit in meinem Kopf geblieben sind, gehören "Die Falschmünzer"
von Andre Gide, "Germinal" von Zola, "Rot und Schwarz" von Stendhal – um
nur drei Klassiker zu nennen. Zu meinen Lieblingsbüchern gehören "Anna
und der gefallene Engel" von Nikolai Deshnew, "Die Nacht aus Blei" von
Hans Henny Jahn und "Ein liebender Mann" von Gail Godwin. Und ich mag
fast alles von Angela Carter, Harry Mulisch, Cees Noteboom, Lars
Gustafsson, Connie Palmen und Michael Ondaatje. Lettern: Was angehende Schreiber interessieren wird: Wie gehst du vor, von der Idee bis zum fertigen Roman? Heide John: Das ist ganz leicht zu beantworten. Sobald ich die Idee habe, schreibe ich den Plot und in der Regel eine ungefähre Kapitelübersicht. Dann beginne ich brav mit der ersten Zeile – und komme irgendwann zur letzten. Bislang habe ich noch nie ein Kapitel oder eine Textpassage verschoben, und ich ändere auch erst im zweiten Durchgang. Manche Figuren entwickeln ein Eigenleben und gehen im Verlauf einer Geschichte ihre eigenen Wege. Da ist es besser, den Text als Ganzes betrachten zu können. Gleiches gilt für das Kapitelexposé, es ist lediglich ein Gerüst, dennoch ist es als Handlungsleitfaden von großer Bedeutung für mich. Lettern: Dein Arbeitsalltag wird ja meist von Lektoratsarbeit bestimmt. Wenn du Bücher schreibst, wie sieht dann ein normaler Arbeitsschreibtag bei dir aus? Heide John: Ich schreibe ein paar Stunden, dann lektoriere ich wieder. Das ist eine wunderbare Mischung. Geändert hat sich lediglich mein Rhythmus. Während ich früher ein Nachtmensch war und vorzugsweise am (sehr) späten Abend geschrieben habe, sitze ich mittlerweile am liebsten schon am frühen Morgen am Rechner. Für das Lektorat – zu dem ja auch das Korrektorat gehört – muss ich allerdings sehr konzentriert sein, denn jedes kleine Sekündchen des Abschweifens könnte einen übersehenen Fehler bedeuten. Lettern: Ein Thema, das viele Schreiber und Neuautoren immer wieder interessiert ist: Wie arbeitet ein Autor. Wie arbeitest du? Wie gehst du an den Stoff heran, bis die Geschichte endlich steht? Wie viel Zeit brauchst du und wie richtest du deinen Tagesablauf mit Kind darauf ein? Heide John: Wenn ich einmal angefangen habe, bin ich theoretisch nicht mehr zu bremsen – aber s. o. da gibt es ja auch noch das Tagesgeschäft. Ich lektoriere Ein- bis Vierzig-Seiter häufig auf Zuruf, d. h. die per Attachment, Boten oder Fax übermittelten Texte müssen schnellstmöglich bearbeitet werden. Zum anderen ist da natürlich mein Söhnchen: Wenn er aus der Schule kommt, ist er hungrig wie ein Löwe, er braucht also zunächst etwas zu essen. Überdies ist er ein G-8-Opfer und hat in der Regel viele Hausaufgaben zu erledigen. Er kommt gut alleine zurecht, nichtsdestotrotz entstehen Fragen (und Motivationslöcher), sodass ich es mir abgewöhnt habe, am frühen Nachmittag zu arbeiten, weil es ungemein frustrierend ist, einem guten Satz hinterherzuhecheln, den man (ich!) ohnehin nicht wieder findet, wenn man z. B. zwischendurch über die Umwandlung einer Dezimalzahl in einen Bruch nachgedacht hat. Und daneben gibt es noch viele, viele andere Themengebiete, die ich in meiner Schulzeit wahrlich nicht so verinnerlicht habe, dass ich sie auf ein Fingerschnipsen hin abrufen könnte. Lettern: Dein dritter belletristischer Roman steht kurz vor dem Abschluss. Verrätst Du uns ein wenig darüber - oder ist alles noch geheim? Heide John: In den letzten Monaten hat mich die Elfenwelt in Schach gehalten. Ich habe (unter dem Pseudonym Marie Johnson) drei Bände einer neuen Reihe geschrieben, die kleine Mädchen in das Reich der Sonnenelfen führt. Deshalb musste der neue Roman für Erwachsene warten. Aber so viel kann verraten werden: Es handelt sich um einen Thriller ... Lettern: Über was würdest Du gerne einmal schreiben? Heide John: Ach, da braucht es den Konjunktiv eigentlich gar nicht. Ich liebe es, Bücher für Kinder zu schreiben, habe meine Neigung zur Kriminalistik entdeckt und wende mich ganz gewiss irgendwann einer größeren Familiengeschichte zu. Der Tag müsste nur zwei Stunden mehr haben, damit wäre mir – wie vielen anderen auch – durchaus geholfen. Lettern: Liebe Heide, das klingt sehr interessant und ich bin schon gespannt, mit was du in der nächsten Zeit die Leser überraschen wirst. Ich danke dir herzlich für das Interview und wünsche dir weiterhin viel Erfolg. © Gabriele Thlon 2008 |
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